Anschauen oder wegschauen? Die Serientipps unserer Redaktion

Viele Serien buhlen um die Aufmerksamkeit des Publikums. Unsere Blogger stellen euch ihre Lieblinge vor und sagen, was sich nicht lohnt (oder warum man doch lieber Podcasts hören sollte).

Romina

Anschauen: «When They See Us»
Die Minisereie «When They See Us» greift die wahre Geschichte der berühmten Central Park Five wieder auf. Sie wurden vor 30 Jahren zu Unrecht für die Vergewaltigung einer Joggerin im Central Park verurteilt. Die Serie zeigt einen der grössten Justizskandale, welcher von Rassismus geprägt ist und den die Stadt New York bis heute nicht verdaut hat. Zudem greift die Miniserie Thematiken auf wie den noch immer teilweise vorherrschenden Rassismus oder die Fehlerhaftigkeit der Justiz. Die Serie berührt und hat mich nicht mehr losgelassen.

Wegschauen: Gypsy
Gypsy handelt von einer Therapeutin in den 40ern, die wohl gerade eine Midlife crisis durchlebt. Die Serie ist nicht schlecht, schafft es aber auch nicht, mich als Zuschauerin zu fesseln. Während man der Protagonistin zusieht, wie sie mit einer zweiten Identität versucht aus ihrem perfekten Leben zu entfliehen, kommen einem die Folgen mit circa 60 Minuten Spielzeit doch ziemlich lange vor. Die diversen Nebenhandlungen verwirren mehr, als dass sie Spannung erzeugen würden. Trotz der Star-Besetzung mit Naomi Watts in der Hauptrolle kann mich die Serie nicht überzeugen.


Christoph

Anschauen: Better Caul Saul, Staffel 1
«I didn’t say you’re a bad guy, I said that you’re a criminal.»

In meinen Augen brillieren Serien gerade dann, wenn sie ihr zeitliches Potenzial gegenüber dem Spielfilm voll ausspielen und ein kreativ geschriebener und fortlaufender Handlungsbogen von vielen gründlich durchdachten Charakteren (und deren Entwicklung) getragen wird – nicht dass dies einem Film nicht auch gut tut, aber Serienproduktion können sich hierfür einfach mehr Zeit nehmen. Eine Serienperle, welche das alles richtig macht, mich aber zunächst auf Grund einer eher schleppenden und monotonen Erzählweise abgeschreckt hatte, ist «Better Call Saul». Eigentlich als Prequel zum Serienklassiker «Breaking Bad» erschienen ist «Better Call Saul» doch viel mehr als nur ein Prequel. Es ist die intelligent erzählte Geschichte des erfolglosen und schicksalsgebeutelten Anwaltes James «Jimmy» McGill, welcher verzweifelt darum ringt beide Beine auf den Boden zu bekommen.

Mit einer Priese schwarzem Humor und viel Kreativität ist «Better Call Saul» mal zum Brüllen komisch und mal zum Heulen dramatisch, wobei die Spannung vor allem aus den zwischenmenschlichen Verstrickungen resultiert, in welche Jimmy sich selbst hineinmanövriert oder auch hineinmanövriert wird. Wer die Geduld aufbringt, sich durch eine sehr zäh beginnende erste Staffel zu hangeln, der wird mit liebevoll geschriebenen Charakteren und ganz viel Tiefgang belohnt, wobei der «Erfolgsweg» des Anwalts stets für «Ocean’s Eleven»-artige Katz-und-Maus-Momente sorgt (na gut, eher Ocean’s Eleven für Kleinkriminelle).

Wegschauen: The Society, Staffel 1
«I have no idea what I’m doing.»

Schlechte Serien erzählen entweder eine vorhersehbare, eine unzusammenhängend-verwirrende oder eine oberflächliche, gag- oder actionüberladene Geschichte ohne wirklichen Tiefgang. Charaktere sind eindimensional, Dialoge flach und die Handlung ist entweder wenig nachvollziehbar oder gänzlich langweilig. «The Society» ist eine Serie, welche nicht nur mir negativ aufgefallen ist. Im Vorfeld dieses Artikels hatten mich ein Kommilitone und eine Kommilitonin unabhängig voneinander von genau dieser Serie abgeraten: «Jugendliche, die sich dumm verhalten und saufen», «Die Geschichte kommt nicht voran», «Einfach langweilig». Ganz so einfach ist die Sache dann aber nicht, oder doch? «The Society» beschreibt die Geschichte einiger High School-Schüler, welche nach einer Evakuation aus der Stadt (Grund: es riecht sehr schlecht) in den menschenleeren Heimatort zurückkehren. Dort finden sie allerdings niemanden mehr vor und sind plötzlich auf sich allein gestellt. Die Jugendlichen müssen sich fortan selbst organisieren, versuchen gesellschaftliche Umgangsformen zu schaffen, welche für alle akzeptabel sind und irgendwie spielt das Rätsel um das Verschwinden der restlichen Dorfbewohner ja auch eine Rolle. Gefüllt wird das Spektakel mit Seifenoperelementen zwischen den einzelnen Charakteren und allerlei flachen Dialogen.

Wer sich also gerne ein High-School-Mystery-Drama mit teilweise sehr langwierigen, inhaltsleeren Passagen, antiklimaktisch erzählter Story (mir ist zum Beispiel nicht klar wieso der Hintergrundhandlung so wenig Zeit gewidmet wird, das ganze Mysterium hinter dem Verschwinden geht irgendwie unter) und vorhersehbaren Charakteren (welche auch nie wirklich angebrachte Emotionen wie Panik, Hysterie und Misstrauen zeigen, alle wirken wie Endzeitprofis) antun möchte, der sei gewarnt. Mich hat die Serie jedenfalls abgeschreckt und ich konnte sie auch nicht ganz vollenden, vielleicht wird in den letzten Folgen ja auch noch alles umgekrempelt und ein wahrer Blockbuster draus – ich wage es zu bezweifeln und selbst dann wäre es mir den Leidensweg bis dahin nicht wert.


Louis

Wegschauend anschauen: Riverdale
Oh, Riverdale. Wo fange ich nur an? Bald geht‘s los mit der vierten Staffel, und ich werde dabei sein. Jeden Donnerstag, wenn die neue Folge auf Netflix ist, werde ich über Mittag 45 Minuten mit dieser blöden Kleinstadt und all den noch viel blöderen Figuren verschwenden. Gut war Riverdale noch nie, aber seit Mitte der zweiten Staffel wird es immer schlechter. Manchmal wird einige Folgen lang vergessen, dass die Protagonisten eigentlich alle noch zur Schule gehen. Manchmal werden irgendwelche Erzählstränge fallengelassen und nie mehr erwähnt. Logik, realistische Handlungen? In Riverdale gibt es das nicht. Dafür gibt‘s peinliche Dialoge, viel zu schöne Menschen und absurde Geschichten.

Habe ich schon lange vergessen, worum es in dieser Serie eigentlich geht? Ja. Aber die Autoren der Serie haben das auch.

Möchte ich eigentlich nicht mehr weiterschauen? Ja. Aber ich liebe es, Riverdale zu hassen.


Danial

Anschauen: BoJack Horseman, Archer & Neon Genesis Evangelion

Wenn ich Serien schaue, dann meistens um meinem Geist ein wenig Ruhe zu geben. Die besten Serien für mich sind interessanterweise alle animiert. Sehr zu empfehlen sind BoJack Horseman und Archer für alle Menschen, die es lieben, wenn mehr oder minder subtile Running-Gags sich über Staffeln hinweg entwickeln und sich immer weiter steigern. Beide Serien sind sprachlich sehr spannend, da diese mit Wortwitzen und sprachlichen Feinheiten überfüllt sind. BoJack Horseman ist ein eher unerfolgreicher Ex-Sitcom-Darsteller, der gequält wird mit Depressionen und einem Alkoholproblem. Darüber hinaus ist Neon Genesis Evangelion sehr empfehlenswert für alle Leute, die eine gute packende Story und eine messerscharfe Animation geniessen.

Wegschauen: Black Mirror & The Big Bang Theory
Es ist wahrscheinlich eine „Unpopular Opinion“, wie man heute so schön sagt, aber ich verstehe Black Mirror überhaupt nicht. Für mich absolut kalter Kaffee und eine Gesellschaftskritik, die dem Anspruch eines Jugendlichen genügt, der sich zu viel Verschwörungsvideos auf YouTube angesehen hat. Auch kann ich Big Bang Theory überhaupt nicht leiden. Ich denke nicht einmal, dass es was mit meiner Studienwahl zu tun hat, sondern eingespielte Lacher sind für mich einfach schon ein absolutes No-go. Auch fehlt mir da ein Charakter development und es handelt sich für mich so oder so um sehr oberflächliche Charaktere.


Lisa

Lieber hören als schauen
Wer von einer Sache nichts versteht, sollte darüber keine leeren Worte verlieren. Ich kann an einer Hand abzählen, wie viele Serien ich in meinem Leben geschaut habe. Davon fallen über die Hälfte in die Kategorie O.C., California und sind demnach getränkt von Herzschmerz und Kitsch (nichts gegen The OC, das war grosses Kino, damals in den Nuller Jahren, mit Betonung auf damals). Das ist offensichtlich nicht gerade die optimale Ausgangslage, um in aller Öffentlichkeit über die besten und schlechtesten Serien sein Urteil zu verkünden. Deshalb schlage ich einen anderen Weg ein und stelle eine alternative Beschäftigung vor, für all jene, deren tägliches Kontingent an visuellen Eindrücken begrenzt ist.

Vielleicht ist es genetisch bedingt, möglicherweise könnte man es sich auch antrainieren, doch Bilder zu verarbeiten, das tun Menschen in unterschiedlichen Tempi: ich bin darin eher gemächlich unterwegs. Wenn ich mich also tagsüber an den visuellen Eindrücken, die auf mich eindreschen, abarbeite, bin ich zuhause oft froh, mich nicht nochmals vor einen Bildschirm setzen und weitere Bilder «reinziehen» zu müssen. Deshalb höre ich Podcasts, denn auch davon gibt es wahrhafte Perlen.

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