Im Karate-Dojo den Tag wecken

Im Uni-Karate-Dojo findet jeweils am Donnerstagmorgen eine buddhistische Sitzmeditation statt, Zazen genannt. Für eine Aussenstehende ist Zazen gar nicht so leicht zu beschreiben. War das jetzt eine Meditation oder war es ein Ritual oder war es eine Zeremonie? Und waren das buddhistische Gesänge oder einfach ein gemeinsames Lesen von Texten? Ich bin mir auch nicht sicher, ob der kleine Kasten vorne im Dojo, mit Kerzen und Räucherstäbchen drauf, so etwas wie ein Altar ist. Gibt es bei Meditationen überhaupt Altare? Und das daneben, waren das Klangschalen?

Ich frage deswegen Coco Hartmann, der die Zeremonie geleitet hat, ob er meinen Text später durchlesen mag, damit er am Ende dann auch wirklich korrekt sei. Coco lächelt und erklärt mir, dass das keine Rolle spiele. Wegen der Korrektheit. Dass ich einfach schreiben soll, wie ich das Ganze wahrgenommen habe. Dass auch die Zeremonie an sich überhaupt nicht wichtig sei. Die ritualisierten Abläufe, die so sorgfältig eingehalten würden, das sei lediglich eine Hilfe, die Gedanken zu bündeln.

Das gefällt mir: Eine Zeremonie mit schönen, zeremoniellen Gegenständen. Und mit einstudierten Bewegungsabfolgen, an die sich alle halten. Und mit geheimnisvollen buddhistischen Texten. Das wirkt doch alles sehr bedeutungsvoll. Und hat am Ende gar keine Bedeutung, sondern ist bloss eine Hilfe, gedanklich aus dem Alltag raus zu kommen und in die Meditation rein zu kommen. So habe ich das auf jeden Fall verstanden.

Aber noch einmal von Anfang an: Ich durfte also zu dieser Zazen-Meditation im Uni-Karate-Dojo, das eigentlich UNI.KARATE-DO heisst. Diese morgendliche Sitzmeditation findet jeden Donnerstag um zehn vor sechs statt, manchmal mit Zeremonie und manchmal ohne. Im Dojo sind Sitzkissen verteilt. Im Dunkeln setzt man sich darauf. Und dann meditiert man. Coco hat mir den Tipp gegeben, meine Atemzüge zu zählen, von eins bis zehn und dann wieder von vorne. Und zu beobachten, wo die Gedanken so hin wandern.

Das war tatsächlich spannend, was im Kopf alles passiert, wenn rundherum gar nichts passiert. Nach der Meditation habe ich Coco gefragt, wie lange das Stillsitzen gedauert habe. 50 Minuten!! So lange also, wie die Fahrt von Zürich nach Basel. Hätte ich nicht gedacht, dass es möglich ist, 50 Minuten lang still zu sitzen und auf zehn zu zählen. Im Züri-Zug werde ich ja schon nach Liestal nervös, wenn ich keine Zeitung eingepackt habe und nirgends Lesestoff herumliegt. Vor und nach dem Meditieren wurden, wie gesagt, Texte gelesen (nicht auf Deutsch, aber die Übersetzung stand daneben) und die Klangschalen kamen auch zum Einsatz.

Das Beste an der Meditation war jedenfalls die Fahrt mit dem Velo nach Hause. Die Sonne ging gerade irgendwo hinter dem Viadukt auf und die Leute auf der Strasse wirkten sehr geschäftig und die Luft war noch ganz kühl und frisch. Ich hatte Coco abschliessend noch gefragt, wieso sie die Meditation überhaupt so früh am Morgen machen und er meinte: Weil wir nicht vom Tag geweckt werden wollen – wir wollen den Tag wecken!

Wer an einer Zazen-Meditation teilnehmen möchte, darf sich bei Coco Hartmann melden, alle Infos findest du hier, den Kontakt hier.

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