Literarische Klassiker für einsame Sommernächte

Wassili Perow: Portrait von Fjodor Dostojewski

Es ist zwei Uhr nachts. Eine dieser Nächte, in denen man so oder so nicht zu schlafen vermag. Ich schnappe mir ein Buch, einen Klassiker der Literaturgeschichte, mit einer gefühlt zentimeterhohen Staubschicht aus meinem Regal und beim Lesen fange ich zu sinnieren an: Welche Klassiker kann ich empfehlen? Meine vier persönlichen Favoriten (und ein aktuelles Buch als Zugabe):

«Verbrechen und Strafe» – Fjodor Dostojewski
Akribisch und doch geradezu zärtlich führt Dostojewski in «Schuld und Sühne» oder nach der neuen Übersetzung «Verbrechen und Strafe» seine Charaktere ein. Jede dieser Personen hat kleine Eigenheiten und feste Muster, so dass die Handlung völlig real erscheint. Der Protagonist, Rodion «Rodya» Romanovich Raskolnikov, ist ein bettelarmer Student, der im 19. Jahrhundert in Russland lebt. Harte Umstände und die zunehmende Apathie Rodyas lassen diese Geschichte in eine Richtung laufen, die geprägt ist von Obsessionen, existenziellen Ängsten und furchtbaren Schuldgefühlen. Mit einer mitreissenden sprachlichen Leichtigkeit ergründet Dostojewski die Abgründe der menschlichen Psyche und führt uns vor Augen, dass in jedem Menschen das Potenzial vorhanden ist, grausamste Taten zu vollziehen und dass deren Konsequenzen alles andere als absehbar sind.

«Moby Dick» – Herman Melville
Dieses Buch ist eines der ersten Bücher, die ich je gelesen habe. In der packenden Geschichte um den berüchtigten weissen Pottwal schafft es Melville, uns das Gefühl der Zerbrechlichkeit näher zu bringen. Er zeigt, wie aussichtslos und gefährlich Situationen sein können, die sich unserem Handlungsspielraum entziehen. Der sagenhafte Pottwal dient hier vor allem dazu, die absolute Bessessenheit des Kapitäns zu egründen, der bereit ist, jeden Preis zu bezahlen, um sein Ziel zu erreichen.

«Animal Farm» – George Orwell
Neben «1984» und «Brave New World» ist «Animal Farm» eine der bekannteren dystopischen Erzählungen. Eine kurze Allegorie, getarnt als eine (fabelhaft geschriebene) Fabel führt den Leser durch das von Orwell geschaffene Universum. Ich war zugegebenermassen sehr verwirrt, als Schweine anfingen zu sprechen und die Tiere sich Gebote gegeben haben, ähnlich der Zehn Gebote aus den Abrahamitischen Religionen. Orwell hält uns Menschen damit den Spiegel vor die Nase und zeigt auf, zu welchen Widersprüchen unser Denken führen kann. Trotz der proklamierten Gleichstellung aller Tiere entwickelt sich im Laufe der Zeit eine hierarchiche Struktur mit einer darauf folgenden Eskalation, ähnlich der Entwicklung des Stalinismus aus der Februarrevolution.

«Selbstbetrachtungen» – Marcus Aurelius
Hier handelt es sich um ein philosophisches Werk, welches ich schon lange lesen wollte. Erst vor kurzem habe ich es in einem Brocki auffinden können und habe es direkt mitgenommen. Selbstbetrachtungen, oder besser «Meditationen» ist das Werk des römischen Kaisers Marcus Aurelius und kann der philosophischen Schule der Stoa zugerechnet werden. Selbstbetrachtungen ist, wie der Name schon verrät, ein Werk mit tiefen psychologischen Implikationen, bei denen neben Erkenntnis auch Dinge wie die eigene Mortalität im Vordergrund stehen. Stoizismus kann daher als ein gewisser «Way of life» verstanden werden, dem man treu bleiben muss, um sich selbst und den eigenen Stand im Kosmos besser verstehen zu können.

 

Um jedoch bisschen Abstand von den alten eingefallenen Brocken der Vergangenheit zu gewinnen, habe ich mich auf Empfehlung einer guten Freundin an ein neuzeitliches Buch gewagt:

«Blue Haven» – blue angel
«Blue Haven» ist eine Sammlung von lyrischen und Prosatexten einer jungen deutschen Schriftstellerin nigerianischer Abstammung, die unter dem Pseudonym «blue angel» schreibt. In ihrem ersten veröffentlichten Buch befasst sie sich mit Themen, die von Liebe über Schmerz, Trauma, Depression, Freundschaften, Einsamkeit bis hin zur Last des Denkens reichen. Insbesondere geht es um die Genesung von psychischen Problemen und Krankheiten. Der Gedichtband ist innerhalb des Zeitraums von etwas einem Jahr entstanden und konzentriert sich auf die Jugend der Autorin.

Danial Chughtai

Der Versuch, absolute Erkenntnis zu erlangen, führte Danial Chughtai zum Physikstudium. Dass dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist, merkt er besonders abends um sieben - bei der vierten Tasse Kaffee. Wenn er nicht gerade ein neues Album hört, sich in fremde Vorlesungen verirrt oder überlegt auf Tee umzusteigen, ist er damit beschäftigt, seine Klamottenauswahl auf Vordermann zu bringen. Gerne vergnügt er sich mit den einfachen Dingen des Lebens; wenn's sein muss bei einem Roadtrip quer durch Europa.

1 Kommentar

  1. Julia
    Mo, 26. August 2019 / 10:09 Uhr

    Danke für die tollen Buchtipps und Rezensionen :-) Fände es super, wenn mehr Literaturempfehlungen hier Platz fänden (gerade in den Geisteswissenschaften ist es sehr wertvoll von anderen zu erfahren, welche Bücher ihr Studium und Denken beeinflusst haben)…

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