Blick aufs Handy. Die anderen Studenten feiern schon ihre überstandenen Prüfungen. Leg es weg, denke ich, doch schon nach kurzer Zeit vibriert es wieder und lässt mich wissen, dass meine Freunde eine super Zeit am Rhein, an einer Party oder sonst irgendwo haben. Vor mir liegt der ausgebreitete Prüfungsstoff, neben mir der Lesestoff für die schriftliche Arbeit. Ich habe das Gefühl, das Leben zu verpassen. Dieses Phänomen nennt man FoMO (Fear of missing out).
Ein altes Gefühl
Eigentlich begleitet uns dieses Gefühl unser ganzes Leben lang. Der Neid aufs Glacé des Nachbarkindes, das Verpassen einer Hüpfburg-Geburtstagsparty, das von den Eltern verhängte Ausgangverbot. FoMO, das (negative) Gefühl, etwas zu verpassen, gibt es vermutlich seit Anbeginn der Gesellschaft. Eigentlich erstaunlich, dass es bisher noch kaum Studien dazu gibt. Ein möglicher Grund für diesen Misstand: FoMO äussert sich vermehrt, seit die sozialen Medien uns laufend vorführen, was wir alles verpassen.
Social Media als neuer Faktor
Urlaubsfotos, Diskussionen über aktuelle Themen, Freud und Leid, alles wird heute über Facebook, Twitter und Co. geteilt. Kurz gesagt: Einem wird ins Gesicht geschmettert, dass man immer irgendwo nicht dabei ist. Basierend auf der Hypotherse, dass wir Social Media aus gewissen sozialen Grundbedürfnissen nutzen, hat ein amerikanisches Forschungsteam herausgefunden, dass man bei FoMO in eine Art Spirale fällt: Aus Angst etwas zu verpassen, nutzt man zum Beispiel Facebook vermehrt, um «up to date» zu bleiben. Das führt aber dazu, dass man erst recht sieht was andere gerade erleben, was das Gefühl von FoMo natürlich weiter verstärkt. Wodurch man noch mehr das Bedürfnis hat, auf Facebook zu sein, um doch irgendwie am Geschehen teilzuhaben. Und so weiter und so fort.
Ein Phänomen junger Menschen
Eine Psychologin hat mir einmal erzählt, dass diese Angst heutzutage fast von jedem empfunden wird, vor allem aber bei jüngeren Menschen. Später stelle sich dann häufig die Gewissheit ein, dass man doch nicht so viel verpasst hat, und man stattdessen andere Dinge erlebt hat.
Hibbelig und unkonzentriert bin ich trotz dieser Kenntnisse immer noch. So kann ich nicht lernen, ich greife immer wieder zum Handy und Whatsapp-Nachrichten prasseln auf mein Smartphone ein. Ich bin mir sicher, dass es nicht nur mir so geht, sondern es sich um ein Phänomen im Leben vieler Studenten handelt. Eine weitere Studie zeigt, dass sich drei Viertel der Befragten (meist Studenten) bei Aussagen wie „Ich fühle mich gestresst wenn ich sehe, dass meine Freunde eine gute Zeit ohne mich haben“ angesprochen fühlen.
Was hilft?
Wer dieses Problem auch immer mal wieder hat (und trotzdem nicht auf sein Smartphone verzichten mag), dem hilft vielleicht die App „Offtime“. Diese stellt ein, von wann bis wann man von welchen Apps nicht gestört werden will. Notrufe sind immer noch möglich, aber ist die App einmal aktiv, gibt es kein zurück mehr. Abstellen lässt sie sich nicht, bis die Zeit abgelaufen ist. Ist man eher an den Laptop gebunden, hilft für Windows zum Beispiel die Applikation „RescueTime“. Oder, gewöhnungsbedürftig aber am einfachsten: Sich keine Chance geben, online zu gehen, indem man zum Beispiel das Handy zu Hause lässt. Vielleicht reicht es aber auch schon, Apps wie Facebook und Twitter zu löschen. Um FoMO zu entgehen muss vermutlich jeder seine eigene Methode finden. Schliesslich sollte man es irgendwann auch schaffen, „Joy of missing out“ zu empfinden.