Die Leiden des digitalen Werthers – Was man gegen die digitale Ohnmacht tun kann

Smarphone und Tablet auf Bürotisch(Bild Henry Ascroft/unsplash)
Fluch und Segen: die zahlreichen digitalen Geräte, die wir für unseren (Arbeits-)Alltag benötigen (Bild: Unsplash).

Benachrichtigungen und kleine «Wehwehchen» der elektronischen Begleiter plagen die Existenz und das konzentrierte Arbeiten vieler Menschen. Was kann man gegen digitale Überforderung unternehmen?

*Ping*, kurzer Blick aufs Handy, der Blick wieder auf den Laptop-Bildschirm fokussiert, neben mir jemand, der viel zu laut Musik hört, «Der Laptopakku ist bald leer», *Ping* wieder ein Blick aufs Handy, «LinkedIn hat Jobs für dich, die deinem Profil entsprechen!», und wieder der Blick auf den Laptop geneigt, *Ping*. «Weg damit!», denke ich mir, schalte mein Handy aus, setze mich auf einen stillen Platz und stecke meinen Laptop wieder an den Strom.

Wie konnte es so weit kommen?

In der Schule hiess es damals: «Pack deinen Rucksack am Abend, dann hast du keinen Stress am Morgen.» Was habe ich seither gelernt? Anscheinend nichts! Es ist wieder ein wilder Morgen und mein Rucksack muss noch gepackt werden: «Laptopkabel? Handykabel? Tabletkabel? Kopfhörer? Kopfhöreradapter? Warum habe ich so viele Kabel, verdammt nochmal! Und wo sind sie alle überhaupt?». Wenn die Kabel doch nur das einzige Problem wären.

Wenn ich an meine Jugend denke, gab es schon einige digitale Geräte, die hier und da im Alltag präsent waren: Die kleinen Backsteinhandys, geschützt und ordentlich verpackt in einer Plastikgürteltasche. Damals wurden sie von Teenager*innen eifrig im Unterricht ausgepackt, um dann, ohne einen Blick auf die Tastatur zu werfen, den Schwarm der laufenden Woche anzusimsen. Mit Kabel (!) verbundene Gameboys nutzten wir, um imaginäre Monstertiere auszutauschen, Digitaluhren liefen endlos, Taschenrechner mit Mini-Solarzellen, Digitalkameras, die sogar gute Fotos schiessen konnten, CD-Player mit Dämpfung, damit die Musik keine Aussetzer hat, und noch vieles mehr. Die Liste ist beinahe endlos.

Das Smartphone: für alles und doch für nichts

Der Grossteil der Aufgaben hat sich heute auf ein Gerät kondensiert: das Smartphone. Zwar kann man damit beinahe alles erledigen, was so im Alltag anfällt, jedoch gibt es eine unvermeidliche Schwäche: die Grösse des Geräts. Der Formfaktor ist überaus unpraktisch, um damit richtig arbeiten zu können. Also haben wir Laptops, Tablets, Smartwatches und andere Geräte, die uns «unterstützen» und unser Leben «einfacher» gestalten. Denken wir zumindest – denn alles hat seinen Preis.

Wie viele andere spüre ich manchmal eine «digitale Ohnmacht» und würde viel lieber alles in eine Kiste schmeissen und unter dem Haus verbuddeln. Damit das nicht passiert, gibt es einige gute Methoden, um damit umzugehen.

Behalte die Kontrolle über deine Geräte

Das Offensichtliche zuerst: Schalte das Handy aus, wenn du es nicht brauchst. Wenn dir das zu radikal ist, deaktiviere zumindest Push-Benachrichtigungen, z.B. von Apps, auf die du sowieso häufig schaust, aber die an sich keine Relevanz haben (wie zum Beispiel gewisse Social Media-Kanäle).

Lege unterschiedliche E-Mail-Adressen an und trenne diese kategorisch voneinander: eine E-Mail-Adresse fürs Bestellen, eine für Social Media (wenn man vergessen hat, E-Mail Newsletter auszuschalten und das Postfach zugemüllt wird) und eine für den Rest. Lege Widgets an, damit du auf einen Blick die Information bekommst, statt immer und immer wieder Benachrichtigungen.

Verschiedene Home-Screens, die auch kategorisch voneinander getrennt sind, helfen immens, da man sich dann einen Bereich fürs Private und einen für die Arbeit einrichten kann. Schliesse unnötige Tabs auf dem Browser. Oder mach es wie ich: Benutze mehrere Browser, bei dem einer für das Arbeiten und einer fürs Private funktioniert. Zusammenfassend also: Trenne Themenbereiche und verringere die *Ping*-Frequenz.

First Come, First Served

Ausserdem wichtig: das Scheduling anpassen. «Multi-Tasking» ist für mich mehr ein postmodernes Unwort statt ein wirklich funktionierendes Konzept. Das Hirn kann zwar wenige Aufgaben jonglieren, aber nicht, wenn man schwierige Sachen erledigen muss, die den letzten Rest kognitive Leistung benötigen. Dann doch lieber eins nach dem anderen. Am besten geht das, wenn man sich den ersten Tipp (Handy ausschalten!) zu Herzen nimmt.

Bildschirmfreie Zeit einbauen

Wenn man die meiste Zeit so oder so am Bildschirm verbringt, wirken kleine Pausen Wunder. Gehe ein bisschen in der Sonne spazieren, kaufe eine Cola beim Laden um die Ecke, rede mit Kommiliton*innen über irrelevante Sachen oder meditiere. Und lies am Abend vielleicht mal wieder ein Buch, anstatt die Zeit mit Netflix zu verbringen.

Oder ganz radikal: Tue nichts und langweile dich! Erst dann kommen die kreativen Ideen und die Introspektion über Vergangenes. Kaufe dir einen analogen Wecker, anstatt als erste Aktion des Tages auf den Bildschirm deines Handys zu starren. Und verirre dich, verlaufe dich und finde den Weg wieder zurück, weil du die nette alte Dame um die Ecke nach dem Weg gefragt hast und nicht die Karten-App auf deinem Smartphone.

Schlusswort

Die allumfassenden Arme des digitalen Kraken lassen sich nur bändigen, wenn man eine räumliche Trennung der (Arbeitsbereiche) und eine zeitliche Trennung (der Arbeitsweise) in sein Leben einbaut. Die kommenden Updates für Android und iOS werden bessere Möglichkeiten anbieten, um das Arbeiten einfacher zu machen, da man dann mit einem Klick verschiedene Profile (wie z.B. «Am Arbeiten», «Unterwegs») einstellen kann; besonders wichtige Anliegen werden je nach Profil dann trotzdem durchgestellt.

Für das grosse Problem der digitalen Ohnmacht gibt es also eine ganz einfache Lösung: einfach mal abschalten – sei es das Gerät oder gleich den Kopf, um sich treiben zu lassen.

Danial Chughtai

Der Versuch, absolute Erkenntnis zu erlangen, führte Danial Chughtai zum Physikstudium. Dass dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist, merkt er besonders abends um sieben - bei der vierten Tasse Kaffee. Wenn er nicht gerade ein neues Album hört, sich in fremde Vorlesungen verirrt oder überlegt auf Tee umzusteigen, ist er damit beschäftigt, seine Klamottenauswahl auf Vordermann zu bringen. Gerne vergnügt er sich mit den einfachen Dingen des Lebens; wenn's sein muss bei einem Roadtrip quer durch Europa.

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