Wer diese Tage durch die Basler Innenstadt läuft, sich vielmehr durch die hektische Menschenmenge drängt, kann Christbaumkugeln, verkleideten Samichläusen und einer Menge Glitzer kaum ausweichen. Hinzu kommen die olfaktorischen Eindrücke: Käse, ranziges Frittieröl, Lebkuchen und Glühwein, überall Glühwein. Weihnachten ist längst nicht mehr nur die besinnliche Feier der Geburt Christi. Weihnachten ist auch Konsum und Kommerz. Über mein widersprüchliches Verhältnis zur most wonderful time of the year:
In meiner Heimatstadt Baden, in der knapp 20’000 Menschen leben, gibt es mittlerweile drei Weihnachtsmärkte. Am Bahnhof der «Brennschopf», hundert Meter weiter das «WunderDorf» und von dort zweimal um die Ecke das «Cordula Dörfli». Die einzigen drei Plätze, welche dieses kleine Städtchen besitzt, sind seit Mitte November vollgestellt mit urchigen Holzhütten, Tannenbäumen und Schlittschuhbahnen, die Luft durchzogen von Käseduft. Ob Baden oder Basel, das Prinzip ist überall dasselbe: Alkohol, Fett, Lichter und ein bisschen Last Christmas.
Weihnachten ist längst nicht mehr nur ein Festtag, Weihnachten ist eine shopping season, ein Geschäft, ein Marathon, der gefühlt bereits Mitte Oktober beginnt, wenn die ersten Christmas-Edition-Praliné-Boxen in die Regale gefüllt werden, und erst Mitte Februar endet, wenn endlich alle Reste aufgegessen und die letzten stehenden Tannenbäume (sozusagen the fittest) entsorgt werden. Kein Wunder geht so einigen auf dem Weg dabei die Puste aus.
How to handle Christmas
Meiner Erfahrung nach gibt es drei Typen, die auf ganz unterschiedliche Weisen mit dem Weihnachtsrummel umgehen. Es gibt jene, die sich im November verkriechen und erst wieder blicken lassen, wenn Lametta durch Konfetti (sorry, Räppli) ersetzt wurde. Dann gibt es jene, welche die Geburt Christi dazu missbrauchen, in allen Bereichen über die Stränge zu schlagen: zu viel Geld ausgeben (man gönnt sich ja sonst nichts), zu viel in sich stopfen und vor allem zu viel Alkohol saufen (Mässigung ist dann der Vorsatz fürs kommende Jahr). Ich persönlich würde mich zum dritten Typ zählen: Das sind jene, die den Trubel um Weihnachten irgendwie verabscheuen und ihm dennoch jedes Jahr aufs Neue verfallen.
Weihnachten, das geht so nicht mit uns
Es ist eine Art Hassliebe, eine On-Off-Beziehung, die ich mit der Adventszeit führe. In einem Moment möchte ich der städtischen Weihnachtsbeleuchtung das Stromkabel ziehen, im nächsten beobachte ich mich, wie ich leise «But if you kissed me now, I know you’d fool me again» vor mich hin summe. Mein Weihnachtspendel schwingt in beide Richtungen. Vielleicht ist auch das mitunter ein Grund, dass ich mich im neuen Jahr erst einmal vom Dezember des vergangenen erholen muss.
Punkt eins: Harmonie (auf Knopfdruck?)
Ich liebe an Weihnachten, dass man sich Zeit nimmt für jene Menschen, die einem nahe stehen, dass man gemeinsam kocht, isst, singt und sich gegenseitig beschenkt. Gleichzeitig werde ich innerlich weinen, wenn traditionsgemäss auch in diesem Jahr für mich ein Beautycase unter dem Baum liegt, nur weil meine Tante mir nicht nichts zu Weihnachten schenken kann. In diesen Momenten wünschte ich mir, die Geburt Christi würde nicht ständig dazu missbraucht, noch mehr bullshit zu kaufen. Und auch das friedfertige Zusammensein an Heiligabend hat so seine Kehrseiten. Anstatt down to earth haben die meisten ihre Erwartungen irgendwo da, wo der Stern von Bethlehem leuchtet und wenn dann irgendwer was Falsches sagt, denkt oder fühlt, dann stürzt die Stimmung sehr schnell bis nach da unten, wo Josef und Maria irgendwann endlich Unterschlupf fanden: im Keller (nicht ganz bibeltreu, aber sinngemäss).
Punkt zwei: Lichter
Ich hatte schon immer ein Faible für Lichterketten. Als Kinder hatten meine Schwester und ich während der Autofahrt nach Italien an Weihnachten immer eine Wette laufen: Wer mehr Lichter auf seiner Fensterseite zählt, hat gewonnen. Viereinhalb Stunden blickten wir nach draussen und hielten Ausschau nach Lichtinseln in der vorbeiziehenden Dunkelheit. Schon damals waren mir diese übertrieben protzigen Dekorationen mit Schneemann und Renntierwagen zuwider, die mit aller Kraft nach Aufmerksamkeit schrien. Überall diese farbig funkelnden, stroboskopischen Leuchten, vermeintliche Vitamin D-Schleudern, die das Fehlen der Sonne kompensieren sollen.
Punkt drei: das Essen/der Frass
Ich muss gestehen: I LOVE Guetzli, oder Guzzi, wie meine Mitbewohnerin sagen würde. Ich liebe sie von der Herstellung bis zum genussvollen Verzehr, diese Mischung aus allem Ungesunden, das geknetet und zu einem knusprigen Ganzen gebacken wird. Hinzu kommt: Plätzchen sind bei weitem nicht die einzige Köstlichkeit, die einem an Weihnachten serviert wird. Doch wie auch schon bei Punkt eins und zwei ernüchtert festgestellt wurde, ist das Mass wesentlich am Erfolg des Unterfangens beteiligt, und zu viel ist leider selten besser. Neben dem chronischen Überfluss an Essen stört mich auch die Dekadenz, welche die Nahrungsaufnahme während der Adventszeit annehmen kann. Im Cordula Dörfli in Baden zum Beispiel gibt es eine Hütte, wo «exquisite Produkte im Rampenlicht» stehen. «Auserlesene Champagner, guter Wein, frische Austern oder doch eher Lust auf Kaviar mit Blinis?», heisst es auf deren Website. Bitte, was?!
In diesem Sinne habe ich mir für Weihnachten 2019 vorgenommen, mich zurückzulehnen, an einem Cüpli zu nippen und, geblendet vom Kerzenlicht, die weihnachtlichen Widersprüche etwas verschwommener und vor allem gelassener zu sehen. Ich wünsche euch ein frohes Fest!