Kennt ihr das Gefühl, nach mehreren Jahren Studium immer noch nicht viel klüger zu sein als ganz am Anfang? Zumindest für Medizinstudierende gibt es aber ein einfaches Mittel gegen den Studi-Blues. Alles, was man dazu benötigt: ein Arztbrief. Den kann ich jetzt nach knapp zehn Semestern Medizin fast lesen wie den Krimi zum Einschlafen (keine Angst, nur fast). Und ich weiss auch genau, dass das nicht immer so war – ein richtiges Erfolgserlebnis! Meine Ärztefachchinesisch-Kenntnisse setze ich mittlerweile gewinnbringend ein: auf www.washabich.ch!
Wenn man dann mal ein paar Semester Medizin studiert hat, wird man von Bekannten, Verwandten, Freunden und sogar Fremden immer wieder mal nach Rat zu diesen oder jenen medizinischen Problemen gefragt. Einige Medizinstudierende werden sogar mal darum gebeten, zu erklären, was denn jetzt in diesem Arztbrief genau steht.
Vom Arztbrief zur Idee
So ging es 2011 auch drei Studierenden aus Dresden. Sie beschlossen daraufhin eine Internetplattform zu gründen. Das Prinzip: Patienten können ihren Arztbrief anonym auf die Plattform hochladen, Medizinstudierende übersetzen ihn dann kostenlos. „www.washabich.de“ wurde zu einem riesigen Erfolg: Sieben Jahre später haben mehr als 1000 Medizinstudierende über 31’000 Arztberichte übersetzt. Seit kurzem hat der Internetdienst auch in die Schweiz expandiert. Auch ich engagiere mich auf der Onlineplattform „washabich.ch“ und und habe nun einige Berichte übersetzt.
Warum so kompliziert?
Offenbar besteht bei Patienten ein grosser Bedarf, ihren Arztbericht besser zu verstehen. Warum die so kompliziert geschrieben sind? Klar, in erster Linie dienen die Arztbriefe dazu, die weiterbehandelnden Ärztin über die Konsultation oder die Behandlung zu informieren. Dazu sind genaue technische Bezeichnungen notwendig, die für Laien ohne Vorwissen kaum verständlich sind. Offenbar haben Ärzte aber, so erkläre ich mir die grosse Nachfrage nach Übersetzung, im klinischen Alltag häufig zu wenig Zeit, ihren Patienten den Inhalt des Arztbriefes genau zu erklären.
Dazu kommt, dass man für das Verständnis meistens auch viele Hintergrundinformationen braucht, die eine Ärztin in der oft knapp bemessenen Sprechzeit kaum liefern kann. Auch ist der Arzt nicht mehr der „Gott in Weiss“, wie das früher der Fall war. Viele Patienten wollen heute genau wissen, was sie haben, um dann medizinische Entscheidungen informiert treffen zu können. Die Übersetzungen von „washabich“ sind oft viel länger als der ursprüngliche Bericht. Kein Wunder, wenn man überlegt wie viele Worte es braucht um beispielsweise GENAU zu erklären, was denn ein „Barrett-Ösophagus“ ist. (Kurz und ungenau: eine Schleimhautveränderung der Speiseröhre).
Win-win, auch für Medizinstudierende
Von „washabich“ profitieren aber trotzdem nicht nur Patienten. Als ehrenamtliche Medizinstudentin werde ich nicht nur vom „washabich“-Team eng betreut, sondern lerne auch wiel darüber, was für eine gute Arzt-Patientenkommunikation im zukünftigen Berufsalltag wichtig ist. Korrekte und einfach verständliche Übersetzungen sind das oberste Ziel. Nach einer Einführung in die Kunst des einfachen Schreibens werden die Übersetzungen der ersten Befunde von einer Betreuerin supervidiert. Gutes Übersetzen ist nämlich alles andere als einfach! Nie sollten die Übersetzungen die Befunde interpretieren, es wird auch keine „ärztliche“ Zweitmeinung ausgestellt. Man hält sich strikt daran, was im Brief steht.
Nicht zu vernachlässigen ist auch der fachliche Effekt: Pro Übersetzung eine Fortbildung – so wirbt das „washabich“-Team um neue Mithelfer. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen – das stimmt! Beim Übersetzen befasst man sich automatisch sehr intensiv mit einem Thema. Man repetiert Sachen, die man schon längst wieder vergessen hat und bekommt dazu eine gute Portion klinikrelevantes Wissen mit auf den weiteren Weg. Zudem glaube ich, dass man Sachen erst richtig begriffen hat, wenn man sie anderen ganz einfach erklären kann. Und wenn ich ehrlich bin – es macht auch einfach Spass, anderen Menschen das Wunderwerk ihres eigenen Körpers näherzubringen und ihnen ein bisschen von der Faszination Medizin mit auf den Weg zu geben.
Auf „washabich.ch“ können übrigens Medizinstudierende ab dem 8. Semester mitübersetzen.
1 Kommentar
Mo, 17. Dezember 2018 / 13:20 Uhr
Hallo, eine „ärztliche“ Zweitmeinung ist eigentlich immer gut. Nur schade, dass dies nicht so oft in der Praxis umgesetzt wird. Einen Arztbrief zu haben ist sicherlich genial! Ich habe mich auch tierisch gefreut, als ich meinen Fachbrief bekommen habe. Danke für den tollen Beitrag! http://praxis.dr.uebis.de/schwerpunkte/kardiologische-zweitmeinung/