Die meiste Zeit meines Studiums habe ich mit Formeln und Kopfschmerzen verbracht. Zu meinem Tagesprogramm gehörten Übungsblätter, Protokolle, Philosophie-Aufsätze und ungesund dicke Bücher. Dazwischen wurde viel gelacht, diskutiert und gestritten. Das Lernen selbst war ein schleichender, sich verselbstständigender Prozess. Ich nehme euch mit auf eine kleine Reise in das autodidaktische Lernen:
Das Gehirn speichert mehr ab, als man erwartet. Das ist uns oft jedoch gar nicht bewusst. Erst wenn man auf die Kleinigkeiten zu achten beginnt, bemerkt man, wie viel im Gange ist: So habe ich eine schönere Schrift für griechische Buchstaben entwickelt und auch das Iippen auf einer Tastatur funktioniert heute ganz von allein. Beides Dinge, für die ich in der Schulzeit ein Höchstmass an Konzentration benötigt habe.
In der Physik kursiert immer noch dieser alte Witz. «Wie viel weisst du noch von deinem Studium? – Also eigentlich nicht mehr viel, aber dafür weiss ich, wo ich nachschauen müsste!» Die Aussage enthält eine implizite Wahrheit: Natürlich hat man was gelernt, sonst könne man ja nicht die richten Schlüsse ziehen, selbst wenn man eine geeignete Buchpassage liest.
Jung und die Intuition
Schon länger wollte ich mich mit der Psychologie beschäftigen, allen voran mit dem prominenten Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker Carl Gustav Jung. Als ich das erste Mal mitbekommen habe, wie umstritten er bei vielen strikt empirischen Denkern ist, hatte er direkt Interesse bei mir geweckt. Also habe ich den Sprung ins Ungewisse gewagt. Als ausgebildeter Physiker ist es heute nicht mehr Standard, ausserhalb eines empirischen Rahmens zu denken.
«Shut up and calculate!» kann schnell zur Maxime werden. Jedoch waren die interessanten Gedanken für mich immer schon solche, die ausserhalb eines solchen Rahmens existieren. In meinem Selbsstudium mit Jung habe ich genau das gefunden: Jeder Satz trieft nur so von Klarheit. Elegant drückt er seinen Zeigefinger auf meine Brust und ich schaue dabei nicht hinab, ich schaue in mich hinein. Seite für Seite habe ich eine alte Vorlesungssammlung gelesen und oft musste ich inne halten, Revue passieren lassen, was geschah.
Es wirkte auf einmal so, als wären wir alte Freunde; als kenne er mich in- und auswendig. Beim Lesen von Jungs Ausseinandersetzung mit der Intuition ist mir schlagartig bewusst geworden: Die Intuition ist das Zauberwort. Ein Prozess, ein Gefühl, welches sich schwer bis gar nicht beschreiben lässt. Intuition ist das, was ich aus dem Studium mitgenommen habe, um ausserhalb des Rahmens meines Teilgebietes Assoziationen machen zu können, die eigentlich fremd wären für mich.
Im Studium lernt man neben den fachspezifischen und -unspezifischen Hard und Soft Skills viele weitere, passive Dinge. Dinge, die es sich im Komplex der Psyche gemütlich machen. Dinge, die man vielleicht erst entdeckt, wenn man sich aus schon gegebenen Wegen entfernt.
Intuition, verrückte Assoziationen und eine eiserne Geduld sind Dinge, die ich im Studium gelernt habe. Mein neues Hobby «Schreiben» wird dann zu einer direkten Konsequenz.
Was kann ich noch alles lernen? Vielleicht doch wieder Gitarre? Jodeln?
Was hast du gelernt?