Gestern startete das Theaterfestival Basel. Bis 7. September sind 16 Stücke von Gruppen aus aller Welt zu sehen. Nebst Theater, Tanz und Performance gibt es Stadtaktionen, eine Podiumsdiskussion, eine Filminstallation und einen Filmabend. Hinter dem vielfältigen Programm steckt viel Arbeit. Laurin Schwob, Student der Wirtschafts- und Medienwissenschaften, berichtet in seinem Gastbeitrag, wie es ist, bei einem Kulturfestival ein Praktikum zu absolvieren.
Als ich Ende Juni zu dem eingespielten Kernteam von sechs Mitarbeitenden dazugestossen bin, brauchte ich erst mal etwas Zeit, um den Durchblick zu erlangen. Was ich anfangs vor allem als eine kaum zu bewältigende Menge an Aufgaben wahrgenommen habe, offenbarte sich mir als ein komplexes Informationssystem, welches man Stück für Stück erarbeitet und feinjustiert. Nur wenn alle Absprachen bis ins Detail ineinandergreifen, kann ein Festival wie dieses reibungslos über die Bühne gehen.
Von der Idee zur Realität
170 Künstler brauchen eine An- und Rückreise, übernachten in verschiedenen Hotels, müssen abgeholt, verpflegt und betreut werden. Es braucht Bewilligungen, Verträge, Zeitpläne, ein Ticketreservationssystem oder auch Dinge wie Festivalvelos, Badges und Künstlerhefte. Zudem müssen Künstlerbetreuer, Fahrer, Helfer, Übersetzer, Sponsoren, Medien- und Werbepartner gefunden und umsorgt werden. Der Grossteil dieser Arbeit besteht nicht etwa aus amüsanten Sitzungen und interessanten Begegnungen, sondern kostet Nerven. Man muss Listen erstellen, buchen, eintragen, überprüfen und stets die Geduld bewahren. Hier prallt vernetztes Denken und Kreativität mit der Notwendigkeit akribischer Organisation zusammen. Lange bleibt das Festival Theorie, bis es innerhalb weniger Tage zu etwas Greifbarem wird. Die Freude, wenn Gedachtes zu Gemachtem, eine Idee zur Realität wird, ist wunderbar. Nun freue ich mich auf den Rausch einer intensiven Festivalzeit.
„Eine höchst vertrauenswürdige Wundertüte“, wie die Tageswoche in einem Artikel meint, trifft es ganz gut. Ohne ein Kenner der Theaterszene sein zu müssen, gibt es allerhand im vielfältigen Programm des Theaterfestivals zu entdecken. Mit einem Schwerpunkt rund um den Künstler Amir Reza Koohestani lässt sich zum Beispiel in die künstlerische Produktion des Irans eintauchen. Unbedingt miterleben möchte ich auch „D’après une histoire vraie“ von Christian Rizzo & l’association fragile (Samstag, 30.8. im Theater Basel). Acht bärtige Männer tanzen zu den treibenden Rhythmen zweier Schlagzeuger einen Volkstanz. Das verspricht Lebensenergie pur.
Ab ins Bett am Barfi
Meine besondere Vorfreude gehört dem Projekt „ReiseBüro“ von den drei charmanten Franzosen boijeot.renauld.turon. Sie ziehen während der ganzen Festivalzeit mit bis zu 50 Wohnungseinrichtungen vom ROXY Birsfelden durch die Stadt bis zur Kaserne Basel. Ein Projekt, das organisatorisch herausfordert, – man denke an die Bewilligungen, Transport und Lagerung der Möbel, das Problem der Witterung oder die benötigte Bettwäsche – aber im Gegenzug ganz sicher viele unvergessliche Begegnungen in der Stadt Basel entstehen lässt. Mit einem Ticket wird man selbst ein Zügelnder und kriegt für 24 Stunden sein eigenes Bett, zwei Tische und acht Stühle, um diese mit Hilfe von Passanten durch die Stadt zu transportieren. Es müssen magische Momente fern von jeder Alltäglichkeit werden, wenn man mitten in der Stadt auf Plätzen wie dem Innenhof des Kunstmuseums oder dem Barfüsserplatz übernachtet.
Alle Informationen zum Festival findet ihr auf www.theaterfestival.ch. Das Festival findet im ROXY Birsfelden, dem Theater Basel, dem jungen theater basel und der Kaserne Basel statt. Im Festivalzentrum auf dem Kasernenareal (siehe Bild) kann man sich bei gemütlichem Ambiente von der Festivalküche der Landestelle kulinarisch verpflegen lassen. Eine „supergeile“ Abschlussparty (Samstag, 6.9. in der Kaserne Basel) mit Friedrich Liechtenstein – die Facebook- oder Youtube-Gänger sollten ihn bereits kennen – rundet die zwölf aufregenden Tage ab.
Doch bis dahin gibt es für mich noch eine Menge zu tun. Gerade habe ich noch konzentriert vor dem Computer Mails für Publikumsgruppen verfasst, ein Künstlerheft zusammengestellt, Badges personifiziert und in den Druck gegeben, die Flugliste mit über 300 Zeilen vervollständigt und irgendwie versucht, 15 Fahrräder und 100 Bettduvets aufzutreiben. Jetzt eile ich in der ganzen Stadt umher, um abzuholen, einzukaufen, abzuladen und zu übergeben. Dann muss ich noch zwischendurch einen Künstler zum Hotel begleiten und im Büro des Festivalzentrums alle paar Minuten Helfer und Künstler anhand des wandgrossen Einsatzplans delegieren. Ein Praktikum bei einem Theaterfestival? Diszipliniert. Spontan. Und alles Dazwischen.