Roman studiert Englisch und Nordistik im 6. Semester. Auch wenn Roman lieber gedruckte Bücher als PDFs liest und noch per Hand mitschreibt, ganz ohne Smartphone und Internet geht es bei ihm dann doch nicht. Für seinen Gastbeitrag hat er sein Handy zuhause gelassen und auch das WLAN-Dreieck des Laptops blieb blass. Einen Tag lang ohne Kontakt mit dem Internet an die Uni; ein Selbstversuch:
Zehn Uhr morgens, Vorlesung im Kollegienhaus. Der Saal ist voll, der Tag beginnt wie gewohnt. Erst als ich bewusst das Internet ausschalte, fühle ich mich ein wenig abgegrenzt zur Aussenwelt. Ich bin gespannt, wie es sich anfühlen wird, einen Tag lang nicht mit Freunden über das Internet kommunizieren zu können und frage mich, ob ich mich ein wenig einsam fühlen könnte. Was ja irgendwie dämlich ist, bin ich doch umgeben von vielen Mitstudierenden. Aber trotzdem spüre ich bereits nach wenigen Minuten das Verlangen, mein Smartphone aus der Tasche zu nehmen, obwohl ich ganz genau weiss, dass es zuhause auf dem Schreibtisch liegt.
Ich beginne mich zu fragen, ob das wohl anderen Mitstudierenden ähnlich geht und blicke durch den Vorlesungssaal. Von meinem Blickwinkel aus erspähe ich 15 auf dem Tisch liegende Smartphones und 38 aufgeklappte Laptops. Nun ja, die Laptops werden tatsächlich dazu gebraucht, fleissig Notizen zu machen, doch bereits nach 15 Minuten ertappe ich die erste Mitstudentin, wie sie ihre Mails checkt. Es scheint kein neues Mail angekommen sein, schnell ist sie wieder zurück im Schreibprogramm. Doch dieser Fleiss dauert nicht lange und während zwei Reihen weiter vorne Facebook aufblitzt, beginnt sie, ein Mail zu verfassen. Innerlich verurteile ich sie für ihre Unaufmerksamkeit, bis ich mich daran erinnere, dass ich in den ersten 15 Minuten der Vorlesungen auch bereits einmal intuitiv das Mailprogramm geöffnet hatte. Ich erstaune, wie verankert diese Aktionen doch sind.
Nach 90 Minuten Vorlesung verlasse ich mit komischem Gefühl den Vorlesungssaal. Mein Selbstexperiment habe ich unterdessen ein wenig vergessen und es wird mir erst wieder bewusst, als ich in eine leere Hosentasche greife. Ein ‚schon wieder’ entfährt mir und ich hoffe, nachher im Seminar mich mehr auf die Diskussion einlassen zu können. Doch alleine die Tatsache, dass mir bewusst bleibt, dass ich nicht mit der Welt verbunden bin, lässt mich immer wieder daran denken, was ich verpassen könnte. Langsam zweifle ich am Sinn meines Experiments.
Aber entgegen all den schlechten Symptomen meines Handyentzugs entdecke ich durchaus auch positive Seiten. Es ist faszinierend zu sehen, wie anders Gespräche verlaufen, wenn niemand ein Handy in der Hand hält (und so signalisiert, dass man auch mit anderen Menschen gleichzeitig verbunden ist). Alles wirkt direkter, vertrauter. Und auch sonst ist es schön, die Uni und das Private ein wenig trennen zu können. Das Mail mit dem neuen Arbeitsplan kann ich getrost erst zu Hause lesen. Die unzähligen Nachrichten in Whatsapp-Chats nerven doch sowieso und haben in der Vorlesung nichts verloren.
So nehme ich mir nach diesem Tag vor, das Handy öfters ganz bewusst zuhause zu lassen. Ständige Verbundenheit gibt einem ein trügerisches Gefühl der Geborgenheit. So sind wir gefühlt immer überall, aber in Wirklichkeit doch nirgends richtig.