Bald ist wieder Prüfungszeit und im Lesesaal der UB gibt es keinen freien Platz mehr. Dennoch gibt es dort Orte, wohin sich kaum jemand verirrt. Vielleicht soll es sogar so sein. Einer dieser versteckten Orte ist der Sonderlesesaal mitsamt dem Magazin des historischen Bestands. Welche Schätze lagern fernab des Lerntrubels des grossen Lesesaales?
Die wertvollsten Schätze des historischen Bestands
Zum historischen Bestand zählen alle Handschriften sowie Drucke, die vor 1900 erschienen sind. Die ältesten, wenn auch nicht unbedingt die wichtigsten Dokumente stammen aus den ersten Jahrhunderten nach Christus und sind sehr fragil: Deshalb werden die Papyrus-Fragmente auch zwischen Plexiglasscheiben aufbewahrt.
Die Sammlung mittelalterlicher Handschriften der UB ist jedoch bedeutender. Mit 1800 Handschriften ist es die grösste Sammlung in der Schweiz. Vor allem die fast vollständig erhaltene Kartäuser-Bibliothek oder die Amerbach-Korrespondenz aus dem 16. Jahrhundert stechen heraus. Bei den mittelalterlichen Handschriften, die grösstenteils aus Klöstern stammen, handelt es sich hauptsächlich um theologische Schriften.
Bis weit ins 20. Jahrhundert kam ein Grossteil der Neuzugänge als Geschenk- oder Tauschexemplare in die Bibliothek. Auch heute noch wird der historische Bestand fast nur durch Geschenke vermehrt. Bei der Übernahme von neuen Nachlässen findet eine Bewertung statt, da mit dem begrenzten Magazinplatz haushälterisch umgegangen werden muss. Ob aber das, was heute ausgewählt wird, in 100 oder 200 Jahren wirklich relevant sein wird, kann niemand mit Sicherheit voraussagen.
Die Nutzung
Auf dem Weg zum Gespräch mit Ueli Dill, dem Vorsteher des historischen Bestandes, musste ich mich noch einmal nach der genauen Lage des Lesesaales erkundigen. „Vielen Studierenden geht es so“, versichert mir Herr Dill. Manche wissen gar nichts vom historischen Bestand. Wieder andere werden von der Lage abseits des Trubels und einer mit einer Klingel versehenen Türe abgeschreckt. Der Saal liegt aber nicht ohne Grund so fern ab. Ein gewisser Grad an Sicherheit muss gewährleistet werden.
Am intensivsten nutzen den Sonderlesesaals Doktorierende, die ihre Dissertation über die historischen Bestände schreiben. Regelmässige Besucher sind zudem ältere, oft emeritierte Forscher. Basler Studierende kommen meist nur im Rahmen von Veranstaltungen in den Sonderlesesaal.
Vor allem die umfangreichen Briefsammlungen der grossen Basler Gelehrtendynastien wie Platter, Zwinger, Buxtorf und Bernoulli werden von den Forschenden stark genutzt. Ein besonders prominentes Stück in der Sammlung ist der Plan de Bâle, einer der frühsten Stadtpläne von Paris aus der Mitte der 16. Jahrhunderts. In Basel liegt das einzige erhaltene Exemplar! Vom frühsten gedruckten Buch, der Gutenberg-Bibel, besitzt die Bibliothek nur ein Fragment von zwei Blättern – immerhin. Von grosser historischer Bedeutung ist die Matrikel der Universität, in welcher mit wenigen Ausnahmen alle Studierenden von 1460 bis 2000 mit Namen und Herkunft verzeichnet sind.
Zugänglichkeit & Digitalisierung
Die UB will ihre Bestände schützen, aber nicht wegschliessen. Wer in der UB als Benutzer angemeldet ist oder sich ausweist, kann den grössten Teil des historischen Bestands im Sonderlesesaal einsehen. Bei kostbareren oder schlecht erhaltenen Dokumenten muss die Benutzung begründet werden; vor allem dann, wenn die Dokumente bereits in digitaler Form online zugänglich sind. Für die Bibliothekare ist es ein ständiges Abwägen zwischen Erhalten und Zugänglichmachen der Schriften. Werke, bei denen die Nutzung möglicherweise zur Schädigung führt, können mit Mitarbeitenden aus der Bestandserhaltung angesehen werden. Dass man die alten Bücher nur mit weissen Handschuhen anfassen darf, ist übrigens ein Irrglauben. Lediglich für die Sichtung von Fotografien sind sie vorgeschrieben. Saubere Hände sind aber immer ein Muss.
Die UB digitalisiert seit ca. zehn Jahren Handschriften und alte Drucke. Anschliessend werden sie auf drei Plattformen zugänglich gemacht: e-rara.ch (alte Drucke), e-manuscripta.ch (Handschriften ab 1500) und e-codices.ch (mittelalterliche Handschriften). Ein Besuch lohnt sich! Die Digitalisierung solch alter Bücher und Schriften ist sehr aufwändig und kostspielig. Dennoch ist dies ein wichtiger Schritt, um sie möglichst allen zugänglich zu machen. Man möchte so erreichen, dass der historische Bestand im Blickfeld der Wissenschaft bleibt.
(Bildlegende: Erstausgabe des griechischen Neuen Testaments mit einer lateinischen Übersetzung von Erasmus von Rotterdam (Basel 1516). Darunter eine der als Vorlagen benutzten griechischen Handschriften aus dem Predigerkloster und das eigenhändige Manuskript von Erasmus’ Kommentar dazu.)