Ahhhh, la Suisse… Das Bild der Schweiz in Frankreich

«Du hast einen kleinen Akzent, woher kommst du?», eine Frage, die ich in Bordeaux oft zu hören bekomme. Schliesslich betone ich die Worte doch nicht ganz so nasal wie die waschechten Beret-Träger. «De la Suisse!» Die Reaktion darauf: ein genussvolles, ausgedehntes «Ahhhh, la Suisse…», als würde das blosse Aussprechen von ‘la Suisse’ eine imaginäre Schokopraline auf ihrer Zunge zergehen lassen. Oft gefolgt von einem schelmischen Lächeln und blitzenden Augen. Was Franzosen von der Schweiz denken und wie Basel da ins Bild passt, liest du hier:

Dreikäsehoch
Ich würde mich niemals als Patriotin bezeichnen. Die Schweiz ist in vielen Bereichen ein tolles Land, aber es gibt ja auch immer eine Kehrseite der Medaille. Deshalb war ich ziemlich erstaunt über mich selbst, als ich mit meinen französischen Freunden bei einem gemütlichen Raclette-Abend sitzend, bei der Behauptung, dass Raclette eine französische Invention sei, lauthals ausrufe: ,,Wer het’s erfunde?!’’ Was für ein Affront!

Da mir meine Freunde einfach nicht glauben wollten, wurde nach den Anfängen des Raclettes gegoogelt. Wir Schweizer sind echte Dreikäsehochs, wir kennen unseren Käse: Natürlich ist Raclette schweizerisch. Ein Hoch auf die Walliser!

«Was isst man denn sonst noch so in der Schweiz?» Etwas überfordert mit der Frage und noch etwas benebelt vom Raclette-Duft, antworte ich schliesslich ziemlich fantasielos: ,,Käse?’’ Es folgt eine lange Diskussion über Gruyère, Camembert, Comté, Brie, Appenzeller, Roquefort und diverse andere Käsesorten. Eine Sache haben Franzosen und Schweizer auf jeden Fall gemein: die Passion für Käse.

«Qu’est-ce que tu penses de la Suisse?»
Neutral, Banken, klein, Schokolade, Banken, Taschenmesser, geizig, Banken, Uhren, Nicht-EU-Land, Banken und teuer, vor allem teuer, ah ja und Banken. Vor allem nach der UBS-Frankreich-Affäre sind die Banken ein heisses Thema. Das sind also ganz grundsätzlich die typischen Eindrücke von der Schweiz. Es hat auch jeder das Gefühl, dass ich sehr reich sein muss, denn die Schweiz ist ja wie gesagt ‘très cher’.

Wer in der Schweiz lebt, muss zwangsläufig ein paar Barren Gold im hauseigenen Tresor versteckt halten. Es stimmt schon, das Leben ist ein wenig billiger hier in Bordeaux als in Basel, man kann ab und zu auswärts essen gehen und sich dabei auch eine Flasche Wein teilen, ohne sich den ganzen nächsten Monat lang nur von M-Budget-Spaghetti ohne Sauce ernähren zu müssen. Gold besitze ich aber trotzdem nicht.

Ausserdem bin ich drauf und dran, ein typisches Schweizer Klischee zu zerstören: die Pünktlichkeit von uns Schweizern. Ich habe schon mit einigen Franzosen geredet, die immer wieder darüber erstaunt sind, dass ihre Schweizer Freunde, wenn man sie um 21:00 Uhr zu sich nach Hause einlädt, wirklich um 20:59 Uhr vor der Tür stehen und nicht erst mit einer höflichen Verspätung um 22:00 Uhr auftauchen. Incroyable! Ich hingegen bin ein sehr höflicher Mensch.

«Suisse-français, c’est drôle ça.»
Viele Franzosen machen sich gerne über unsere Sprache lustig. Das schweizerische Französisch ist hier in Frankreich wohl vergleichbar mit dem gelassenen ‘Bäärndütsch’ unter den Schweizer Dialekten. Sie lassen es sich auch nicht nehmen uns nachzuahmen.

Wenn sie mir also eine kleine Kostprobe des Schweizer Akzents geben, atmen sie zuerst tief ein und aus, schliessen die Augen und müssen, um den Klanglaut möglichst authentisch erklingen zu lassen, zuerst breit grinsen. Das ist kein natürliches Grinsen, sondern vielmehr ein Grimassieren, das ihr Gesicht wie ein eingedrücktes Quiche aussehen lässt. Die Augen werden theatralisch aufgeschlagen und das Quiche fängt an zu sprechen: Hoch und runter geht es mit der Stimme, etwas vergleichbar mit Dorie aus «Findet Nemo», und zwar in einem Tempo, dass sogar die gemütlichsten Schnecken auf ihre Tissot-Uhren starren lässt. Dazu ein ebenso langsames Nicken mit dem Kopf, hoch und runter, hypnotisierend, gemächlich, immer noch mit dem etwas dümmlichen, naiven Gesichtsausdruck, bis sie beim Aussprechen von ‘nonante’ statt ‘quattre-vignt-dix’ sich ins Fäustchen lachen.

Z Basel an mim Rhy
Basel, oder Bâle, kennen erstaunlich viele Menschen hier, vor allem wegen dem Euro Airport, um von da aus ins Elsass zu fahren. Einige wenige haben die Stadt auch tatsächlich besucht und natürlich haben sie ‚Bâle‘ gemocht. Viele Pharmastudierende würden auch sehr gerne in Basel wohnen und in der Industrie arbeiten. Das kleine Basel mit seiner charmanten Altstadt und den vielen Galerien. «Ist sicher sympathisch, dein kleines Basel,» kriege ich oft zu hören, ‘très culturelle’. Einige feuern einfach immer heraus «Les Alpes sont très beaux là-bas» – die haben keine Ahnung von Basel, vor allem keine Ahnung  davon, was sie da verpassen!

Der hügelige Horizont der Schweiz fehlt mir hier sehr, auch ein richtiges ‘Buurebrot’ oder ein Stückchen dunkler Läderach-Schokolade mit Brombeeren erscheint mir manchmal in meinen tiefsten Hungerkrisen. Züge, die pünktlich wie auf dem Zeitplan vorgesehen abfahren und ankommen, sind hier in Frankreich nicht selbstverständlich. Ich werde mich auf jeden Fall nie wieder über die SBB beklagen. Bis ich wieder in Schweizer Zügen sitze, nehme ich es aber entspannt. Trinke nochmals einen kleinen Kaffee, wenn der Zug dreieinhalb Stunden Verspätung hat, unterhalte mich mit meinem Sitznachbar und lerne französisch. Meine Reise hier ist noch nicht beendet! À la prochaine!

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Herzlichen Dank für deinen Kommentar. Bevor dieser veröffentlicht wird, wirft noch jemand aus der Redaktion einen Blick darauf. Das kann ein bis zwei Arbeitstage dauern.
Ups. Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte versuche es noch einmal.