Über seltsame Schulängste

– und Joggen am Rhein

Konnte man euch eigentlich auch so viele Bären aufbinden, was Schule und Uni betrifft? Angefangen hat das bei mir, als ich ganz klein war. Mein älterer Bruder redete mir damals ein, dass man alle Vögel an ihrem Gezwitscher erkennen können muss, um es in die fünfte Klasse zu schaffen. Alle. Vögel. Zaunkönig, Rotkehlchen, Alpenbirkenzeisig. Eigentlich fand ich die Schule bis dahin eine humane Sache. Mein Bruder hatte aber zwei Jahre mehr Lebenserfahrung als ich: Er musste also wissen, was in der Vierten so auf einen zukommt. Jedenfalls glaubte ich ihm seine Räubergeschichten (Er konnte mich sogar davon überzeugen, dass Pumuckl zwei Meter gross ist).

Ich dachte dann eine Weile über das Problem nach und kam zum Schluss, dass ich das mit den Vögeln vermutlich nie schaffen würde. (Auswendiglernen stellte ich mir extrem schwierig vor). Ich hatte solange Angst vor der vierten Klasse, bis ich schliesslich in der fünften war.

Ab da glaubte ich meinem Bruder nicht mehr alles, dafür aber meinen Lehrpersonen. Die hatten ähnliche Stories auf Lager. Ziemlich mitgenommen hatte mich die Drohung von unserem fiesen Deutschlehrer, dass man 100 Bücher gelesen haben muss, um es ans Gymnasium zu schaffen. Oder in der gleichen Liga: Dass man Matur oder Uni nur schafft, wenn man eine ganze A4-Seite Aufsatz ohne einen einzigen Fehler schreiben kann. Ich kriegte kaum einen fehlerfreien Satz hin. Lustig eigentlich, dass Rechtschreibung eine Zeit lang meine Hauptsorge war.

Meine Uni-Horrorszenarien waren da schon realistischer. Ich fürchtete mich vor allem vor den schriftlichen Arbeiten. Im ersten Semester graute mir davor, zehn Seiten Proseminararbeit zu schreiben. Als das dann Routine war, machten mir die zwei Mal 20 Seiten Bachelorarbeit zu schaffen. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass ich den Seitenzahlen schon gewachsen bin, wenn es dann mal soweit ist.

Meine Strategie ist jetzt, bei akademischen Problemen immer gleich joggen zu gehen. Flussaufwärts, zur mittleren Brücke, flussabwärts zur Dreirosenbrücke, flussaufwärts zur mittleren Brücke, flussabwärts, Dreirosenbrücke. Hallo Münster, hallo Novartis. Dann duschen und ab in die UB. Die Bachelorprüfungen sind mir ziemlich in die Beine gegangen. Die Masterarbeit wird mich zur Langstreckenläuferin machen. Egal, dafür jagen mir Gerüchte von überirdisch schwierigen Abschlussprüfungen keine Angst mehr ein. Hätte ich die Jogging- Methode in der zweiten Klasse schon gekannt, hätte ich die Vögel locker auswendig gelernt.

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