Rendezvous mit einer Ägyptologin

Ägyptologie gilt als der Mammutbaum unter den Orchideenfächern. Dabei ist der Fachbereich Ägyptologie Basels einer der führenden Europas. Immerhin beteiligten sich deren Vertreter an grossen Grabungen wie die Mumienfunde von 2014 im Tal der Könige oder dem älteren «Kings‘ Valley Project». Doch was bewegt diese Menschen, ihren Alltag damit zu verbringen, 3000 Jahre alte Steintafeln zu entziffern? Die Antwort darauf und ob die Pyramiden vielleicht doch von Ausserirdischen errichtet wurden, erfahren wir im Interview mit der Master-Studentin Sina Urwyler.

Wer studiert eigentlich Ägyptologie?
Freaks. Ich meine, wir beschäftigen uns mit hieroglyphischen Schriftbildern und toten Sprachen, mit welchen man sich nicht einmal unterhalten kann. Bei mir war’s so, dass ich mich schon für Hieroglyphen interessierte, bevor ich überhaupt lesen konnte. Mit vier Jahren habe ich mir meine Welt zwischen Dinosauriern und Ägyptern erschaffen. Das ist bis heute geblieben. Alle fragen, was ich später mit Ägyptologie mal machen will. Mit Jura oder Wirtschaft kann man etwas handfestes anfangen. Für Ägyptologie muss man aber ein wenig kreativ sein.

Liegt dein Weltbild immer noch zwischen Dinosauriern und Ägyptern?
Nein. Man glaubt ja auch nicht mehr an den Osterhasen und muss leider einsehen, dass es ihn nicht gibt.

Waren es nun Ägypter oder Aliens, die die Pyramiden gebaut haben?
Die Ägypter! Auch wenn der Schweizer Ufologe Erich von Däniken in seinem Mystery Park etwas anderes behauptet hat. Diesen Leuten zuzuhören, ist aber immer wieder faszinierend. Ernüchternde Momente erlebe ich auch, wenn ich im Fernsehen Dokumentarfilme über die alten Ägypter und die Pyramiden sehe. Als Ägyptologin wirken diese wie eine Komödie auf mich.

Wieso hat das alte Ägypten so eine okkulte Anziehungskraft?
Die Ägypter wollten ja selbst, dass die Zukunft sich für immer an sie erinnert. Deshalb haben sie diese monumentalen Bauten errichtet. Eigentlich haben sie damit genau das erreicht: 3000 Jahre später erinnert man sich noch immer an sie. Ihr Name lebt weiter. Es fasziniert noch heute, wie man nur mit Menschenkraft so gewaltige Gebäude wie die Pyramiden hinstellen kann. Heute kann man sich das nicht mehr erklären. Wenn man aber nicht 24 Stunden pro Tag am Handy hängen würde, müsste man sich irgendwie anders beschäftigen. Die Ägypter haben halt Pyramiden gebaut.

Woraus kann man schliessen, dass die Erinnerung an sie für die Ägypter so bedeutend war?
In den Grabinschriften, die wir übersetzen, geht es darum, dass der Name überlebt. Die schlimmste Strafe damals war nämlich, dass man den Namen eines Verbrechers für alle Ewigkeit aus der Erinnerung löschte.

Wen nimmt man sich als Ägyptologin denn zum Vorbild? Andere Ägyptologen, Pharaonen oder die ägyptischen Götter?
Ein bisschen von allem. Man braucht den unermüdlichen Entdeckergeist der ägyptologischen Weltentdecker, die im Sand ein bisschen rumgebuddelt haben, ein kleines Teilchen fanden, und nicht aufhörten, bis sie die ganze Sphinx ausgegraben haben. Man muss sich dafür auch wie ein Pharao über alle anderen stellen können und davon ausgehen, dass man am meisten Ahnung hat. Eben ein Freak sein. Von den Göttern braucht man die strahlende Seite von Göttin Re, manchmal aber auch etwas von den Kriegsgöttern.

Und was macht eine Ägyptologin in ihrer Freizeit?
Sie schreibt Fantasy-Romane.

Ägyptologische Fantasy?
Im Moment bin ich an einer Trilogie und Buch I ist beim Staudt Verlag unter Vertrag. Die Reihe soll «Im Zeichen der Sterne» heissen, aber das entscheidet schlussendlich der Verlag. Es kommen vor allem Ausserirdische vor und eine ihrer Schriften gleicht den Hieroglyphen ein wenig. Da fliesst die Ägyptologin in mir mit ein. In Buch II gibt es einen geschichtlichen Exkurs ins alte Ägypten. Das war es dann aber auch.

Hat dich dein Flair für Science-Fiction zur Ägyptologie geführt oder umgekehrt?
Ich glaube, dass es eine Symbiose ist. Ich habe Stargate geliebt. Mein Vater hat mich mit Star Wars der Science-Fiction näher gebracht. Er schenkte mir auch die ersten Ägyptenbücher, also ist das Ganze wohl ihm zu verdanken, auch wenn er lieber eine Juristin als Tochter gehabt hätte.

 

 

Welche Meinung hast du vom modernen Ägypten?
Das Land ist im Umbruch. Ich glaube, dass das auch gut so ist. Unsere Demokratie ist auch nicht von heute auf morgen entstanden. Das kann man auch nicht von Ägypten erwarten. Mir blutet aber jedes Mal das Herz, wenn antike Städte zerstört werden, weil gewisse Gruppen ihre Religion über alles, was es je gegeben hat, stellen.

Die Ägypter der Neuzeit sehen sich in ihrer Volksmythologie bis heute als Nachkommen der alten Ägypter und drucken altägyptische Symbole sogar auf ihre Währung. Was hältst du davon?
Warum auch nicht, wir identifizieren uns auch mit Wilhelm Tell, obwohl keiner von uns von ihm abstammt. Wenn es ihn überhaupt gegeben hat. Wenn man schon in so einem geschichtsträchtigen Land lebt, ist es auch schön, sich damit zu identifizieren. Die eigentliche Abstammung ist eigentlich egal. Unser Professor hat uns mal ein Bild von Asterix und Obelix mit Kleopatra gezeigt und fragte, was an der Darstellung falsch ist. Nach allen möglichen falschen Antworten löste er es endlich auf. Es ging um die dunkle Hautfarbe. Kleopatra war ganz sicher Griechin und hellhäutig. Von uns wäre niemand darauf gekommen.

Warum sollte ich nun selbst zur Ägyptologie wechseln?
Wenn man alte Sprachen liebt, ein bisschen verrückt ist, Zeit damit verbringen will, feinste Detektivarbeit zu leisten und sich über Schriftzeichen zu beugen, deren Übersetzung auf Deutsch absolut keinen Sinn machen, dann ist man bei Ägyptologie an der richtigen Adresse. Es macht also durchaus Spass. Für mich gibt es nichts tolleres, als Hieroglyphen zu lesen. Sonst würde ich es nicht tagtäglich machen. Man ist auch immer der beste Stimmungsheber bei einer Party, wenn alles am Abflauen ist: Wenn du sagst, dass du Hieroglyphen schreiben kann, musst du, ehe du dich versiehst, 50 Leuten den Namen schreiben. Da ist jede Party gerettet.

 

Mehr zum Master in Ägyptologie findet ihr hier.

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