Pferde faszinieren Psychologie-Studentin Naura schon seit Kindestagen. So suchte sie nach bestandenem Propädeutikum nach einer Praktikumsstelle für Hippotherapie – und wurde in Peru fündig. Ihr Gastbeitrag:
Was ich in den zwei Monaten meines Peru-Aufenthalts erleben durfte, war überhaupt nicht das, was ich erwartet hatte. Es war eine unvergessliche, schöne und manchmal auch strenge, aber lehrreiche Zeit.
Mein erster Arbeitstag im Luz de Luna, einem Zentrum für therapeutisches Reiten in Lima: Die Pferde stehen bereit und ich bin nervös, denn ich weiss nicht, was mich erwartet. Ich habe weder Erfahrung mit psychisch beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen, noch habe ich schon einmal mit Pferden als Medium gearbeitet. Zuerst werden mir die Patienten vorgestellt, die meisten haben die Diagnose Autismus.
Man sagt mir, ich solle immer aufmerksam sein. Es könne sein, dass einige schlagen, beissen, kratzen oder mich an den Haaren ziehen. Im Normalfall aber passiere nichts. Nur einer sei dabei, auf den müsse man besonders Acht geben, denn wenn er einmal beginne zu rennen, kann man ihn nur noch schwer wieder bremsen. Das wiederum könnte die Pferde erschrecken und die Klienten gefährden. Ich schlucke laut und sehe mich um. Eine Mitarbeiterin legt mir ihre Hand auf hat ein paar aufmunternde Worte für mich. Danach lächelt sie und es geht los.
Mein Weg nach Peru
Nachdem ich mein Propädeutikum bestanden hatte, begann ich, mich um ein Praktikum zu kümmern. Ich wollte dafür unbedingt in ein anderes Land. So kam es, dass ich eines Morgens meinen Laptop nahm, mich beim Sprachenzentrum für Spanisch anmeldete und die Suche nach einer geeigneten Praktikumsstelle in Südamerika für Hippotherapie anging. Schon als Kind war ich von Pferden fasziniert und so habe ich mit sechs Jahren begonnen zu reiten.
Es dauerte nicht lange und ich wurde fündig: Eine Organisation namens Manatapu konnte mir einen Platz in Peru vermitteln. Sie half mir mit allen Vorbereitungen, war in Kontakt zum künftigen Arbeitsplatz und kümmerten sich um eine familiäre Gastunterkunft.
So landete ich diesen Sommer bei Luz de Luna, Centro Ecuestre, Lima, Peru. Ich war Ihre erste Praktikantin, deswegen war es nicht nur für mich, sondern auch für meinen Arbeitsgeber eine total neue Erfahrung. Zu Beginn durfte ich zu jeder Zeit mit den bereits ausgebildeten Therapeuten mitgehen. Mir kam sehr zugute, dass die Therapeuten mir alles erzählten und erklärten und das meiste auch zwei oder dreimal, bis ich es wirklich verstanden hatte. Je mehr ich lernte, desto mehr durfte ich auch aktiv mithelfen.
No entiendo nada
Bis zu meiner Ankunft konnte ich noch nicht viel mehr auf Spanisch sagen als „hola“, „hasta luego“ und „no entiendo nada“. Im täglichen Umgang mit Kindern lernt man jedoch sehr viel, da sie einem immer ehrlich darauf ansprechen, wenn man wieder etwas sagt, das in keiner Weise irgendeinen Sinn ergeben könnte. Schwierig mit der Verständigung wurde es jedoch bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten. Nicht selten kam es vor, dass sie meine Anweisungen nicht befolgten und mich dann schlecht fühlen liessen, weil sie so taten, als würden sie mich nicht verstehen. Es ist schon schwer genug mit solchen Kindern umzugehen, wenn man die Sprache spricht. Aber wenn man zuerst Stunden nach einem passenden Wort suchen muss, ist es wirklich sehr schwer, seine Autorität durchzusetzen. Für diese Situationen hatte ich dann gewissermassen einen Ausländerbonus und konnte dann die Therapie tauschen.
Einen Grossteil meiner Zeit arbeitete ich jedoch nur mit den Tieren und die sprechen bekanntlich eine universelle Sprache. Das Reiten ist sehr wichtig, um die Tiere kennenzulernen und die Beziehung zu ihnen aufrecht zu erhalten. Wenn man mit ihnen Therapien durchführt, ist es unabdingbar, immer zu wissen, wie es ihnen gerade geht. Auch Pferde können sich nicht gut fühlen oder krank sein. In diesem Falle könnte es im schlimmsten Falle tödlich enden, wenn man sie auf beeinträchtigte Personen loslassen würde.
Auch von Lima führen alle Wege nach Rom
Es war sehr bereichernd für mich, dass ich in meinem Praktikum wirklich die Zeit hatte, einen guten Einblick in diese Art von Arbeit zu erhaschen. Umso mehr bestägtigten mich meine Erfahrungen darin, dass ich diese Richtung auch zurück in der Schweiz weiterverfolgen möchte. Vielleicht habe ich jetzt noch nicht die Möglichkeit, aber bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom. Dieses Sprichwort kennt man auch in Peru.
Falls du etwas Ähnliches in Erwägung ziehst, ist mein Tipp schlicht: „Trau dich!“ Solche Erfahrungen verändern dich und dein Leben. Du hast die Möglichkeit, neue Dinge zu entdecken und dich von einer anderen Seite kennen zu lernen.
Übrigens: Ja, der Junge ist davongerannt, es wurde auch geschlagen und an den Haaren gerissen. Zum Glück noch nicht an diesem Tag, sondern erst eine Woche darauf. Und bis dahin, hatte ich schon eine Menge lernen können und wusste in diesem Moment, wie reagiert werden musste.