Wenn Lea Bachmann nicht beim Stabhochsprungtraining ist oder an einem Wettkampf, schlägt ihr Herz für die Rechtswissenschaften. Wie die 26-Jährige ihr Doktorat und den Leistungssport unter einen Hut bringt, erzählt sie in diesem Beitrag.
Es ist 9 Uhr und ich warte vor Leas Büro für das Interview. Schon kurz nach meinem Eintreffen läuft mir Lea mit einem breiten Lächeln entgegen. Die braunen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden und sie sieht einiges wacher aus, als ich es an diesem Tag bin. In der einen Hand einen Smoothie und in der anderen die Unterlagen für den heutigen Arbeitstag.
Sie fragt, wie ich auf sie gekommen bin. «In einem Repetitorium an der Uni wurde mir eine Publikation von dir als Beispiel zu einem Fall gezeigt und irgendwie blieb mir dein Name hängen», erzähle ich. Lea wirkt freudig erstaunt, schnell entwickelt sich ein angenehmes Gespräch.
Diss-Thema: Compliance für künstliche Intelligenz
Lea arbeitet seit 2019 an der Professur für Straf- und Strafprozessrecht von Prof. Dr. iur. Sabine Gless. Den MLaw hat sie bereits im vergangenen Dezember abgeschlossen und hat mit einem Stipendium diesen September mit ihrer Dissertation angefangen. Sie forscht und recherchiert über die Thematik der Compliance für künstliche Intelligenz im Unternehmen.
Konkret geht es um die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit beim Einsatz von künstlicher Intelligenz im Unternehmen. Also wie die Geschäftsleitung sich verhalten muss, damit sie sich für allfällige Fehler ihres Systems strafrechtlich nicht verantwortlich macht.
Vom Medizin- zum Jus-Studium
Eigentlich hatte Lea andere Pläne als eine akademische Karriere als Juristin: Nach dem Gymnasium war eigentlich ihr Plan, Medizin zu studieren. «Ich habe vor dem Studium ein Jahr im Direktionssekretariat am Unispital gearbeitet. Dabei kam ich mit den Ärzt*innen in Kontakt, aber auch mit dem Rechtsdienst. Ich habe mich dann dabei erwischt, wie mich die rechtlichen Fragen mehr interessierten als die medizinischen. Mir gefiel insbesondere, dass es in der Juristerei oft darum geht, kreative Lösungen zu finden. Die Medizin war mir im Vergleich dazu eher etwas zu standardisiert. Es sprach mich irgendwie nicht mehr so an, aber das Jus umso mehr. Es ist eben genau dieses vernetzte und lösungsorientierte Denken, was ich sehr gerne mag. Und so kam es, dass ich mich im September 2016 für das Jusstudium einschrieb.»
Auch der Weg zur Stabhochspringerin war nicht so geplant: «Leistungssport war nie ein Thema bei uns in der Familie», sagt Lea. «Ich liebe es auf den Skiern zu stehen. Ich wurde auch vom Kader angefragt, ob ich mitmachen möchte, aber das wäre in Österreich gewesen. Das war familiär gesehen dann leider keine Option, auch wenn ich es cool gefunden hätte.»
Zum Stabhochsprung kam sie dann eher zufällig: «Ich hatte nie vor, Leichtathletik zu machen. Das Rennen ist mir zu anstrengend», sagt die 26-Jährige und lacht. «Ich war im Kinderzirkus und habe schon immer gerne geturnt. Mein Vater, der selber Leichtathlet war, konnte mich dann irgendwie zum Stabhochsprungtraining überreden. In diesem Probetraining habe ich mich auf Anhieb in diese Disziplin verliebt.»
Vom Spätstart Zur Schweizermeisterin
Lea konnte früh Erfolge feiern: Mit 13 Jahren begann sie mit dem Sport, nach einem Jahr konnte sie schon an der Schweizermeisterschaft teilnehmen. Bald ging es auch darum, sich für internationale Meisterschaften zu qualifizieren, etwa für die U20 EM in Schweden 2015, die U23 EM in Polen 2017 und die Universiade in Italien 2019.
Um dies zu erreichen, investierte Lea auch: «Seit ich 18 Jahre alt bin, trainiere ich bei einem professionellen Trainer, was in der Leichtathletik keine Selbstverständlichkeit ist. Er war selber Stabhochspringer und danach Nationaltrainer in der damaligen Sowjetunion. Und nun habe ich die Möglichkeit, von ihm zu lernen. Dank der guten Zusammenarbeit konnte ich mich kontinuierlich steigern und so an mehreren internationalen Grossanlässen teilnehmen und mehrere Schweizermeistertitel gewinnen.» Als Lea mir davon erzählt, sehe ich ihr die Freude und die Begeisterung in ihren Augen.
Bei Leistungssport dachte ich bislang, dass es eher sehr strapazierend und fordernd ist. Das hat sich aber nun mit Leas Bekanntschaft geändert. Die Euphorie und Energie, die sie hat, sind sofort überzeugend und ich weiss, alles was sie mir erzählt, kommt aus ihrem Herzen.
Zeitmanagement als Erfolgsgeheimnis
Lea hat es geschafft, ein anspruchsvolles Studium und den Leistungssport unter einen Hut zu bringen. Sie ist überzeugt, dass dies auch für alle anderen möglich ist: «Das ist überhaupt kein Problem und habt keine Angst davor. Das Wichtigste ist, ein gutes Zeitmanagement zu haben. Aber das kennt man sowieso, wenn man aus dem Leistungssport kommt.»
Lea hat eine sehr aufgeschlossene und offene Art. Ich stelle fest, wie sie mich begeistert und höre ihr voller Neugierde zu: «Ich hatte nie Angst, dass ich es nicht packe. Im schlimmsten Fall hätte ich mir das Studium ja aufteilen können, aber das war nicht nötig.» Das Wichtigste sei der Spassfaktor: «Mir machen der Sport und die Juristerei gleichermassen Spass. Klar muss ich privat etwas zurückstecken. Ich bin im Vergleich mit anderen nicht gleich verfügbar oder gleich oft im Ausgang anzutreffen wie andere, aber das war sowieso nie gross Thema für mich. Es ist eine Frage von Prioritäten und Disziplin.»
Ich merke, wie zielstrebig und fleissig Lea ist und dass ihr der Sport in dieser Hinsicht auch ermöglicht, einen gewissen Rucksack an Know-How zu packen. Beide Lebensbereiche ergänzen sich für Lea perfekt: Im Sport hat sie den Ausgleich zum kopflastigen Doktorat und der Arbeit und umgekehrt hat sie an der Uni die Chance, nach einem anstrengenden Training oder Wettkampf etwas zur Ruhe zu kommen.
Nächstes sportliches Ziel: Olympia 2024
Sportlich hat sie sich hohe Ziele gesteckt. «Die Olympischen Spiele 2024 – darauf trainiere ich hin.» Sie werde den Sport so lange geniessen, wie es nur geht, denn es sei für klar, dass der Leistungssport irgendwann mal ein Ablaufdatum hat.
«Deshalb schätze ich mich sehr glücklich, im Jus einen Bereich gefunden zu haben, der mich genauso fasziniert», sagt Lea. Hier an der Uni werde sie als Lea, die studiert, gesehen und nicht als Sportlerin – das geniesse sie sehr. «Ich möchte nicht nur über den Sport identifiziert werden. Alleine dass du mich durch eine meiner Publikationen kennst und mich angesprochen hast, zeigt mir, dass ich da wohl auf dem richtigen Weg bin.»
Ich realisiere, dass Leas Gedanken berechtigt sind, weil sie eine Person der Öffentlichkeit ist. Beispielsweise sieht man Werbeplakate von ihr für Ramstein-Optik in ganz Basel verteilt oder auch in lokalen Medien. Dass Menschen, wie Lea, die etwas mehr in der Öffentlichkeit stehen, mit solchen Gedanken umzugehen haben, ist mir erst jetzt so wirklich bewusst geworden.
Ich durchlöchere Lea nun schon seit etwa 45 Minuten, aber sie ist noch immer voller Elan und beantwortet geduldig alle meine Fragen. Die heitere und fast sorgenfreie Art von Leas Persönlichkeit ist einfach nur ansteckend. Es ist inspirierend wie sie davon erzählt, dass sie trotz Widerstand nie aufgehört hat, ihre Ziele zu verfolgen.
Zukünftig werden wir sicher das ein oder andere Mal von Lea hören. Sei es durch Publikationen oder im Sport. Ich für meinen Fall bin gespannt darauf, ob wir sie in zwei Jahren vielleicht im Fernsehen entdecken werden und mit ihr auf eine Medaille hoffen können.