Eine Woche als VIP-Schäfchen

Mein Nebenjob an der Art Basel

„Ah, du arbeitest auch an der Art! Und was machst du so?“ – „Ich verteile Häppchen in der Ecke dort drüben. Und du?“ – „Ich räume Geschirr ab!“. Um einen Nebenjob an der Art zu ergattern, muss man nicht gleich Kunstgeschichte studieren. Es ist für jede und jeden etwas dabei.

Mich hat es zum Beispiel in den VIP-Bereich verschlagen. „Und das sind meine Schäfchen“, so wurden wir von unserem Boss den anderen Mitarbeitenden vorgestellt. Der Job der Schäfchen ist es, die Lounge nach dreckigem Geschirr abzugrasen. Geschirr wegräumen und Krümel wegwischen. Das Ziel: den Krümel zu erwischen, noch ehe er auf der Tischplatte aufschlägt. Auch die leeren Champagnergläser sollen schnell verschwinden und Platz für volle machen. Wir sind ganz schwarz angezogen, schwarze Bluse, schwarze Schürze. Unsere Kernkompetenzen: Flink, freundlich, unauffällig.

Die ersten beiden Tage, Dienstag und Mittwoch, ist die Art nur für geladene Gäste offen. Alles Leute, die Kunst kaufen, schätze ich. SammlerInnen und GallerstInnen aus aller Welt. In unsere Lounge darf nur, wer ein spezielles Ticket hat. Ich habe wenig Erfahrung mit den Very Important People und bin erstaunt über das Mensa-Ambiente im VIP-Bereich. Denn weil die Art so ein wichtiger Event ist, kommen auch sehr viele wichtige Menschen an die Ausstellung. Und all die wichtigen Menschen mit feinem Essen zu versorgen, ist eine logistische Herausforderung. Gelöst wurde das so, dass sich jeder sein Essen selber holen muss. In der einen Ecke gibt es Pasta, in der anderen Salate, draussen auf der Terasse Sushi und Austern, natürlich alles vom Feinsten.

Zu Spitzenzeiten gibt es eine Schlange an der Salatbar. Und ein Gerangel um die Stühle. „Sorry, der Platz ist schon besetzt!“ Manchen VIPs geht der Self-Service sichtlich an die Nieren. Ich fühle mit ihnen. Wenn ich 200 Franken für eine Flasche Champagner ausgeben würde, hätte ich sie schon auch gerne an den Tisch geliefert. Das würde meine Schäfchen-Kompetenzen jedoch überschreiten. „Nein, leider kann ich Ihnen kein kühles Wasser bringen. Nein, Leider kann ich Ihnen auch keinen Stuhl organisieren. Wie Sie an einen Stuhl rankommen? Na, beobachten und dann schnell zuschlagen!“

Es macht die Situation der VIPs nicht besser, dass es auch ein paar wenige Leute gibt, die sich ihren Champagner nicht selber holen müssen. Für die gibt es die Lounge in der Lounge. In diese „Lounge in der Lounge“ (die hat schon ein eigenen Namen, ich kann mich nur gerade nicht daran erinnern) kann man zwar reinschauen, reingehen kann man aber nur, wenn man aus irgend einem Grund wichtiger ist, als die vielen anderen wichtigen Leute.

Ich finde es eigentlich blöd, die Leute in very imporant und less important people aufzuteilen. Umso mehr freut es mich, dass die VIPs in der Lounge etwa das gleiche wollen, wie die Leute in der Uni Mensa: Einen freien Platz, einen Kaffee, ohne lange anstehen zu müssen und eine Steckdose fürs Smartphone und den Laptop.

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