Die Schweizer Schriftstellerin erzählt von ihrem Weg vom Tagebuchschreiben zum Autorinnendasein. Ihren Beruf findet sie sowohl seltsam als auch oft schön. Und ist überzeugt, dass es für das Schreiben Unsicherheit braucht.
Wie sie eigentlich zum Schreiben gefunden hat, weiss Judith Keller nicht mehr so genau. «Ich habe als Kind irgendwann angefangen Tagebuch zu schreiben, das hat mich aber selber eigentlich gelangweilt», erinnert sie sich.
Aus dieser ersten Erfahrung mit dem Schreiben entwickelte sich in ihrer Jugend ein sehr romantisches Bild einer schreibenden Person, wie man sich das halt so vorstellt. Die Tage in Cafés verbringen, mysteriös aus dem Fenster starren, ab und zu etwas notieren. «Ich glaube, es ging auch um dieses romantische Bild vom Schreiben, die Welt, die damit verbunden ist, die mit Ruhe zu tun hat, mit Gesprächen und der Anziehungskraft von Zigaretten», sagt Keller.
Über Germanistik zum Literaturinstitut
Mittlerweile ist Keller hauptberuflich Autorin. Wie viele Schweizer Schriftsteller*innen hat sie das Literaturinstitut in Biel besucht. Zuerst studierte sie für ein Jahr Germanistik, danach konnte sie im ersten Jahrgang des Instituts teilnehmen. Nach einem Jahr in Biel zog es sie weiter ins Literaturinstitut Leipzig, wo sie dann auch ihren Abschluss machte.
«Es würde mich interessieren, ob ich das Schreiben trotzdem gleich stark verfolgt hätte oder ob ich mir dann irgendwann gesagt hätte, dass ich das nicht machen kann. Ob ich das Selbstbewusstsein gehabt hätte, das Schreiben neben einer anderen Tätigkeit zu verfolgen», sagt Keller. Im Unterschied zu einem Germanistikstudium, wo Texte gelesen werden, die oftmals schon lange existieren und oft besprochen wurden, steht im Literaturinstitut die Qualität der eigenen Texte zur Diskussion: «Man liest diese Texte immer im Gefühl, dass sie noch nicht fertig sind und dass man sie auch kritisieren darf. Und dass die eigenen Texte öffentlich kritisiert werden, ist natürlich teilweise auch schwierig in dem Alter und nicht immer fruchtbar. Aber auch wichtig, weil man dabei lernt, wessen Kritik einem weiterhilft und welche nicht.»
Ein schräger Beruf mit vollem Alltag
Keller beschreibt das Studium im Literaturinstitut als «mehr ein Machen als ein Lernen von einem Handwerk». Das passt zu ihr, die das Schreiben als Lebenseinstellung sieht. Ihr Alltag setzt sich zusammen aus Textaufträgen, dem eigenen kreativen Schreiben und Unterrichten. Sie ist Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und gibt Workshops, zuletzt im «Wortstellwerk» in Basel.
Das Berufsbild sei schräg: «Obwohl es ja darum geht, Bücher zu schreiben, also seine eigenen Schreibdinge in Einsamkeit zu verfolgen, besteht das Leben als freie Autorin auch aus viel Öffentlichkeit und aus vielen Aufträgen. Das beisst sich manchmal. Vielleicht wäre es auch besser, man würde sein Geld in einem ganz anderen Gebiet verdienen», glaubt die Schriftstellerin.
Als Autorin nimmt sie fast jede Anfrage, die reinkommt, an. Manchmal führt das zu Terminkollisionen und Stress, da aber nie wirklich sicher sei, wann der nächste Auftrag kommt, ist es schwierig Nein zu sagen.
Allgemein steht Keller ihrem eigenen Beruf kritisch gegenüber: «Texte auf Bestellung sind komisch, weil es diese oft gar nicht braucht.» Trotzdem liebt Keller das Schreiben, es hilft ihr, Dinge anders zu sehen und zu verstehen. Und auch bei den Textaufträgen kann sie meist etwas lernen.
Vom Schreiben zum Veröffentlichen
«Morgens kann ich am besten schreiben», sagt Keller. «Und am liebsten auch so, dass es nicht nach Arbeit aussieht. Dass ich im Bett sitze und von Hand schreibe mit einem Kaffee nebendran», beschreibt sie ihren Schreibprozess. Die romantische Idee aus ihrer Jugend ist also immer noch da und heute zur Realität geworden. Doch das Dasein als Autorin umfasst natürlich mehr als das Verfassen von Geschichten.
Schwierig ist das eigentliche Veröffentlichen der Texte: «Vieles ist dann Warten und auch langes Warten. Und meistens gibt es dann schlussendlich Absagen.» Bis zu Kellers erster Veröffentlichung war es ein langer Weg. Ihr Buch wurde zuerst von vielen Verlagen abgelehnt, bevor ihr dann bei einem neuen Anlauf vier Jahre später der Verlag «der Gesunde Menschenversand» doch eine Chance gab. Auch Kontakte seien dabei wichtig gewesen, da Manuskripte ohne Empfehlung oftmals gar nicht gelesen werden. Seit Kurzem hat sie nun eine Zusage für einen Roman beim Verlag «Luchterhand» im Herbst 2024.
Inspiriert vom Ungewissen
Inspiration findet Keller überall, wo etwas nicht aufgeht: «Wo man das Gefühl hat, irgendwie gibt es die Sprache und die trifft es aber auch nicht. Das, was irgendwie so im Schweben bleibt oder nicht so ganz verstanden werden kann.»
Als Autorin sieht sich Keller eher bei kurzen Texten zuhause, trotzdem würde sie gerne nochmals einen oder mehrere Romane schreiben. Auch ein Theaterstück fände sie spannend.
Anderen Schreibenden rät sie, sich nicht zu sehr auf Erfolg auszurichten: «Man muss unterscheiden zwischen dem Schreiben, dem Verlag finden und auf dem Markt bestehen. Das ist nicht unbedingt das Gleiche. Man muss die Ruhe finden, um dem unsicheren Weg des eigenen Schreibens nachzugehen. Dabei muss man mit Unsicherheiten einen Umgang finden. Denn von Unsicherheit, finde ich, handelt auch die Literatur.»