Viktor Gsteiger will trotz Corona und Brexit im Ausland arbeiten und dabei sein Theoriewissen mit sinnvoller Praxis verbinden. Wo der Computer Science-Student ein Praktikum fand und welche Erfahrungen er bereits im Bewerbungsverfahren machte, berichtet er in seinem Gastbeitrag.
Nach langer Zeit in den eigenen vier Wänden und vor meinen Bildschirmen bekam ich Lust, ein Auslandspraktikum zu machen. Im Sommer 2021, trotz Reiseunsicherheiten. Ich hatte schon länger das Bedürfnis, mein Wissen aus dem Computer Science Studium an der Universität Basel praktisch anzuwenden. Ausserdem wollte ich etwas Sinnvolles und Neues lernen und insbesondere internationale Arbeitsluft schnuppern. Wie genau ich mein Auslandspraktikum gefunden habe und was ich schon beim Bewerbungsverfahren gelernt habe, möchte ich euch in den nächsten Zeilen erzählen.
Meine definitive Entscheidung, im Ausland arbeiten gehen zu wollen, fiel im letzten Herbst. Ich hatte einen Sommer lang in einer Schweizer Informatikfirma gearbeitet und die Aussicht, im nächsten Jahr mein Bachelordiplom in den Händen zu halten. Da war es für mich naheliegend, einmal das bekannte Nest zu verlassen. Ich wusste von Anfang an, dass ich während meines Auslandsaufenthaltes einer Arbeit nachgehen will, die sinnvoll ist und wo ich gleichzeitig praktische Arbeitserfahrungen sammeln kann. Ich suchte also konkret nach einem Praktikum, bei dem ich die im Vorlesungssaal gelernte Theorie in die Praxis umsetzen kann und gleich auch noch etwas Sinnvolles tun.
Welche Möglichkeiten gibt es?
Bevor ich mich blindlings in mein Abenteuer stürzte, war zuerst recherchieren angesagt: Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt für ein Auslandspraktikum? Durch mehrmaliges couchsurfen und WWOOFen hatte ich schon einige Leute getroffen, die auch im Ausland arbeiteten. Ich hatte ich schon von Organisationen wie Workaway gehört, über Erasmus Intern gelesen oder von Vereinen wie GoAbroad. Letzten Endes entschied ich mich für IAESTE. IAESTE überzeugte mich vor allem durch sein sehr persönliches und professionelles Auftreten und weil der Verein spezialisiert ist auf Studierende von technischen Fächern und in Basel selbst aktiv arbeitet.
Was ist für mich wichtig bei einem Anbieter?
Nachdem ich bereits einen guten ersten Eindruck hatte, wollte ich mir persönlich ein Bild von der Vermittlungsagentur machen, die Verantwortlichen kennen lernen und mich auch lokal vernetzen. Für mich ist das Vertrauen in die Organisation, die den Auslandsaufenthalt mitorganisiert, essentiell. Ich möchte einen Partner haben, auf den ich mich verlassen kann und mit dem ich ohne Umwege eine Ansprechperson habe, falls etwas schief läuft. In den Medien werden immer wieder Berichte veröffentlicht, die von schlechten Bedingungen bei Praktika berichten. Dem wollte ich durch eine gute Organisation vorbeugen, um auch eine unabhängige Ombudsstelle zu haben, falls wirklich etwas nicht stimmt.
Wer genau ist IAESTE?
IAESTE ist ein internationaler Verein, der in über 85 Ländern vertreten ist und sich für Praktika in technischen Bereichen einsetzt. Die Schweiz war im Jahr 1948 eines der Gründungsmitglieder von IAESTE und der Verein ist dementsprechend hierzulande gut etabliert. Wichtig zu wissen: Wenn man sich für ein Praktikum mit IAESTE interessiert, muss man an einer Universität, Fachhochschule oder der ETH immatrikuliert sein, mindestens das vierte Semester beendet haben und zwischen 19 und 30 Jahre alt sein. Bei IAESTE werden die Praktikant*innen während des Bewerbungsprozesses vom eigenen Land und während des Praktikums vom Gastland betreut. Dadurch ist auch ein Ansprechpartner vor Ort während des Aufenthalts garantiert.
Ablauf meiner Bewerbung
Bei IAESTE konnte ich auf der Website der Schweizer Organisation die aktuell offenen Stellen ansehen und mich auf bis zu fünf Stellen bewerben. Die lokale Organisation wählte anschliessend eine Stelle für mich aus. Danach konnte ich mit der richtigen Bewerbung beginnen.
Die Praktikumsstelle, die mir zugeteilt wurde, befindet sich in Belfast im Vereinigten Königreich. Dort werde ich an der Queen’s University mit einem Team von Psycholog*innen Bewegungs- und Aufmerksamkeitsdaten aus Schulzimmern evaluieren und darstellen. Das Ziel ist es, Lehrpersonen mit Daten zu unterstützen, damit sie im Schulunterricht spezifischer auf die Schüler*innen eingehen können. Zum Beispiel auf jene, die sich schlecht konzentrieren können.
Während der Hauptbewerbungsphase im Februar war ich der einzige Bewerber auf die Stelle– das hat meine Chancen für das Praktikum natürlich deutlich erhöht. Ausserdem achtete IAESTE darauf, mir eine Stelle zuzuteilen, zu der mein Profil am besten passt und die von den Terminen für mich am sinnvollsten ist.
Tipps für eine internationale Bewerbung während des Studiums
Natürlich stellten sich mir während meines Bewerbungsprozesses noch viele Fragen: Wie genau schreibt man seinen CV für eine internationale Stelle? Worauf muss ich beim Motivationsschreiben achten? Ich hatte mich zuvor noch nie auf eine Stelle im Ausland beworben. Durch eine einstündige Informationsveranstaltung und zahlreichen E-Mails an lokale Verantwortliche konnte ich am Ende meine Bewerbungsunterlagen zusammenstellen.
An dieser Stelle möchte ich euch noch ein paar gute Tipps mitgeben, die auch bei einer Bewerbung in der Schweiz weiterhelfen:
- Persönliches Motivationsschreiben: Das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten sollte das Motivationsschreiben mit der Stelle bestmöglich verbinden. Wichtig ist auch, auf Formalitäten zu achten und sich mit den gängigen Formulierungen des Gastlandes auseinander zu setzen.
- Personalisierter Lebenslauf: Je nach Stelle kann der Lebenslauf anders aussehen, zum Beispiel mit relevanten Vorlesungen, die auf die Stelle passen. Ein Auszug aus der Leistungsübersicht wird nicht mit Sicherheit detailliert angeschaut und gibt auch keine Informationen über spezifische Technologien oder Wissen aus Vorlesungen.
- Alle Dokumente gegenlesen lassen: Unbedingt! Fliessende Englischfähigkeiten werden zwar bei den meisten Stellen nicht gefordert, sind aber bei Praktika im englischsprachigen Raum umso wichtiger.
- Professioneller Auftritt: Eine saubere Formatierung und ein sauberes Dossier aus PDFs machen einen guten Eindruck. Achtet darauf, dass alle Dokumente auf Englisch übersetzt und Notenskalen erklärt sind (in Deutschland bedeutet eine 6 etwas anderes als in der Schweiz). Der potenzielle Arbeitgeber sollte alle wichtigen Informationen eures Dossiers sofort erfassen können.
Auslandspraktika während COVID-19 – geht das?
Natürlich muss ich noch auf den Elefanten im Raum zu sprechen kommen: Der Grund, weshalb ich so viel in meinem Zimmer eingeschlossen war, ist bekanntlich diese Pandemie, die unser aller Leben auf den Kopf gestellt hat. COVID-19 hat natürlich auch einen Einfluss auf mein Auslandspraktikum. Die Situation verändert sich ständig und bis die Impfung richtig greift, wird es wohl noch eine Weile dauern. Das heisst aber nicht, dass man von allen Aktivitäten absehen muss. Wichtig ist, dass man die Massnahmen des Gastlandes regelmässig überprüft, sich an alle Regeln hält und zum Beispiel den Flug erst bucht, wenn man definitiv weiss, dass man gehen kann. Bei IAESTE zum Beispiel werde ich auch vom Gastland regelmässig informiert und auf dem Laufenden gehalten.
Wie weiter?
Ich habe erst vor wenigen Wochen die definitive Zusage vom Arbeitgeber aus Belfast für mein Praktikum erhalten und hoffe, dass trotz der aktuellen Situation alles klappt. Natürlich ist neben COVID-19 auch der Brexit ein Thema. Wie ich in den letzten Wochen in den Medien gesehen habe, aktivieren sich durch die erneute schwache Grenze zwischen Irland und Nordirland alte Kräfte. Ich hoffe natürlich, dass die Stimmung bis in den Sommer nicht kippt. Einen grossen direkten Einfluss hat Brexit jedoch auf mein Praktikum bisher nicht.
Als nächstes muss ich ein Arbeitsvisum für das Vereinigte Königreich beantragen, mich für meine Unterkunft mit der lokalen IAESTE Organisation in Belfast in Verbindung setzen und mit ihr das weitere Vorgehen besprechen.
Lust auf ein Auslandspraktika bekommen?
Hat dich mein Text inspiriert, vielleicht auch ein Auslandspraktikum zu machen? Hat sich der Prozess als einfacher und effizienter erwiesen als vielleicht anfangs gedacht? Da du jetzt weisst, wie du dich im Ausland auf eine interessante Stelle bewerben kannst, worauf du bei den Bewerbungsdokumenten achten solltest und wie du mit den COVID-19 Massnahmen umgehen kannst, steht deinem eigenen Abenteuer nichts mehr im Weg! Wenn du noch mehr erfahren willst, kannst du selbst einmal auf der IAESTE Webseite herum stöbern.
