Sarah, Jannik und Marco* gehören zur Coronavirus-Risikogruppe. Für sie besitzt oberste Priorität, zuhause zu bleiben, die Vorsichtsmassnahmen des BAG und des Bundesrates zu befolgen und somit ihr eigenes Leben zu schützen. Gastautorin Viktoria Stauffenegger hat mit den drei Studierenden der Universität Basel darüber gesprochen, wie sie die Situation erleben, was ihnen momentan besonders wichtig ist und ob sie etwas Positives aus dieser Zeit mitnehmen können.
«Was war dein erster Gedanke, als du erfahren hast, dass das Coronavirus in der Schweiz ist?»
Wirtschaftsstudentin Sarah erzählte mir per WhatsApp-Sprachnachricht, dass sie wegen der Krankheit «Multiple Sklerose», die vor zweieinhalb Jahren bei ihr diagnostiziert wurde, schon aufmerksam die Ausbreitung des Coronavirus in China beobachtet hatte. «Ich wusste, was es heisst, wenn es in der Schweiz ist. Mir war klar, dass es ähnliche Auswirkungen haben kann wie in Italien oder China. Als der erste Fall in Riehen in einem Kindergarten bekannt wurde, war mein erster Gedanke allerdings ‹Scheisse!›. Ich hatte weniger Angst oder Panik, ich wusste einfach, dass ich jetzt zuhause bleiben muss. Das bedeutet, dass mein Freund und ich die Wohnung nicht mehr verlassen können und zuhause komplett isoliert sind. Alles, was von draussen reinkommt desinfiziere ich erst einmal, um uns zu schützen.»
Jannik, der Computer Science studiert, leidet an starkem Asthma. Er beschreibt seinen ersten Gedanken als «leer: «Als das Coronavirus in die Schweiz kam, waren meine ersten Gedanken sehr zwiespältig, da man nicht genau wusste, welche Auswirkungen es haben wird.»
Mit dem Coronavirus kam nicht nur ein Ansturm der Viren, sondern auch ein Ansturm an Nachrichten und Informationen. Wie fühlst du dich, wenn du die Nachrichten verfolgst?
«Es kann sehr beängstigend sein» sagt Marco*, der Student der juristischen Fakultät ist. Er leidet an einer Bluterkrankung, die die Sauerstoffzufuhr erschwert und so das Immunsystem schwächt.
Auch für Sarah ist es am Anfang eine Nachrichtenflut, die auf sie einprasselt. «Zu Beginn habe ich immer Nachrichten geschaut, da es etwas Neues ist und man nichts Genaues darüber weiss. Man hat nur gesehen, wie die Zahlen immer gestiegen sind und wie es eine Dynamik angenommen hat, mit der niemand gerechnet hat. Mit der Zeit konnte ich es aber nicht mehr hören und so überspringe ich auch meistens die Nachrichten. Ich möchte lieber an etwas anderes denken. Natürlich setzte ich mich noch damit auseinander, aber nicht mehr so oft wie am Anfang.»
Für Jannik hingegen ist es immer noch ein sehr präsentes Thema, er kritisiert vor allem den Bundesrat und das BAG. «Wenn ich die Nachrichten lese oder schaue, werde ich meistens nur wütend, da meiner Meinung nach der Bundesrat, wie auch das BAG versagt haben. Die Zahlen, die sie rausgegeben haben, sind meiner Ansicht nach schlecht gemessen. Man hat keine Referenzpunkte und es gibt viele Aussagen und Daten, die fragwürdig sind. Ich bin sehr enttäuscht vom Bundesrat und vom BAG»
Hast du ein Erlebnis in dieser Zeit, welches dich geprägt hat oder dir in Erinnerung bleiben wird?
Für Marco* ist die Situation zuhause sehr prägend: «Mein Vater arbeitet im Krankenhaus und muss immer bis spätabends arbeiten. Meine Mutter und meine Schwester sind Hochrisiko-Patientinnen. Das ist sehr belastend. Da ich ‹nur› ein Risiko- und kein Hochrisikopatient bin, muss ich die Einkäufe erledigen. Das ist eine sehr stressige Situation. Ich habe am meisten Angst davor, mich draussen anzustecken und es dann nach Hause zu bringen. Natürlich gehe ich nur raus, wenn wir Lebensmittel brauchen und halte mich an alle Vorsichtsmassnahmen, auch desinfiziere ich mich komplett, wenn ich von draussen gekommen bin. Zudem besteht noch die Gefahr, dass es mein Vater vom Krankenhaus mit nach Hause bringen könnte. Wir machen aber das Beste aus der jetzigen Situation.»
Auch für Sarah ist diese Zeit eindrucksvoll: «Ich glaube, diese Zeit wird mir sehr lange im Kopf bleiben. Ich war noch nie in einer Lage, in der ich Angst um meine Liebsten hatte. Was ist, wenn es meine Familie trifft oder Freunde, die auch zur Risikogruppe gehören. Diese Situation hat mir aber auch sehr die Augen geöffnet. Vor allem, wie schlimm es für Menschen ist, die in einer Notsituation sind. Natürlich war ich mir dessen auch davor schon bewusst, aber jetzt sehe ich, wie gross die Not von einigen Menschen ist. Für diese Menschen bricht jetzt mit der Wirtschaft ihre Existenz zusammen. Wir sind in einer Rezession, sie verlieren ihren Job. Es ist nicht nur das Virus an sich, sondern auch die Konsequenzen, die es mit sich bringt.»
Gibt es etwas Positives, was du aus dieser Zeit mitnehmen wirst? Wenn ja, was?
Nicht nur das Negative zu sehen in so einer Situation, sondern auch das Positive daraus zu ziehen, ist wichtig. Besonders positiv findet Marco* sind die Auswirkungen auf die Umwelt. «Die Natur kann sich wieder von dem ganzen Schaden, der ihr hinzugefügt wurde, erholen.» Auch würde man jetzt die Momente zu Hause mit der Familie mehr wertschätzen. Er sei ausserdem viel kreativer geworden. «Ich habe angefangen, zuhause zu backen und habe mir ein DJ-Pult gekauft, dort kann ich meine ganze Kreativität ausleben, für die ich während des Studiums und in meinem normalen Alltag als Student wenig Zeit gefunden hätte.»
Auch Jannik findet positive Aspekte in dieser Zeit: «Ich habe sehr viel Zeit zum Nachdenken und habe mir eine Liste geschrieben mit all den Sachen, die ich zuhause erledigen kann. Ich wollte diese Dinge schon immer machen. Ich habe sie immer aufgeschoben. Für mich ist diese Zeit eine Selbstfindungszeit. Man verpasst nichts und kann sich all den Dingen widmen, die sich angestaut haben.»
Alle drei Studierenden appellieren daran, die Risikogruppen zu schützen und sich an die Massnahmen des Bundesrates und des BAGs zu halten. Jannik wünscht sich ausserdem noch, dass wir das Geld wieder in die Schweizer Wirtschaft zurückfliessen lassen, um so die Schweiz nach dieser Krise und in der vorhersehbaren Rezession, die uns treffen wird, zu unterstützen.
*Name geändert. Der echte Name ist der Redaktion bekannt.