Zusammen wohnen, lernen und backen – Eine Gastfamilie für Fanus aus Eritrea

In der Küche von Susanne und ihrer Tochter stehen seit einigen Wochen ein grosser Behälter, eine 5 kg-Packung Sorghummehl und verschiedene Utensilien zum Fladenbrot backen. Grund dafür ist die 18-jährige Fanus, die im Sommer 2016 aus Eritrea in die Schweiz kam und nun seit knapp einem halben Jahr bei der kleinen Familie wohnt. Gefunden haben sie sich über die Kontaktstelle der GGG, die seit 2015 zwischen Gastfamilien und geflüchteten Menschen vermittelt. Ob, die Gastfamilie aus Mutter, Vater und Kind besteht, eine WG ist oder eine alleinstehende Person, spielt dabei keine Rolle. Ich habe Susanne und Fanus zum Gespräch getroffen.

Susanne, wie seid ihr auf das Programm Gastfamilien für Flüchtlinge von der GGG aufmerksam geworden?

Susanne: Die Idee hatte meine jüngste Tochter, die gerade ihre Maturarbeit schrieb, im Sommer 2016, als viele Menschen über die ehemaligen Ostblockstaaten hierher flüchteten. Ihre ältere Schwester war schon ausgezogen, also hatten wir ein Zimmer frei. Zuerst war ich ein bisschen skeptisch, ob ich das wirklich will, jetzt wo meine beiden Töchter langsam aus dem Haus sind und ich auch mal mehr Platz für mich haben könnte. Ich war dann aber schnell überzeugt.

Und wie war es bei dir, Fanus?

Fanus: Bevor ich hier in die Familie kam, habe ich in der Wuma (Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Asylsuchende Anm. d. Red.) gewohnt. Aber das ist nur für Minderjährige. Als ich dieses Jahr im April 18 Jahre alt wurde, hat mich meine Betreuerin in der Wuma gefragt, ob ich in eine Familie will oder in ein Asylbewerberinnenheim. Ich habe ihr dann gesagt, dass ich lieber in eine Familie möchte.

Dann wart ihr also beide bei dem Programm angemeldet. Wie ging es weiter?

Susanne: Nach einiger Zeit kam Frau Rosslow von der GGG-Kontaktstelle bei uns vorbei und hat sich angeschaut, wie es hier ist und geprüft, ob wir ein gesundes Umfeld bieten können. Bald darauf hatten wir dann das erste Treffen mit einer Asylbewerberin. Allerdings hat es in diesem Fall von beiden Seiten her nicht so gepasst. Die zweite, die wir kennengelernt haben, war dann Fanus. Und da hat es gleich gepasst.

Fanus: Ich habe auch zuerst eine andere Familie getroffen, bei der es nicht stimmte. Susanne und ihre Tochter waren dann die zweiten und auch für mich hat es dann gut gepasst.

Susanne: Nach unserem gemeinsamen Gespräch hatten wir dann nochmal eine Woche Bedenkzeit. Nachdem wir beide gesagt haben, dass wir uns das Zusammenwohnen gut vorstellen können, ist Fanus dann Ende Juni hier eingezogen.

Inwiefern ist die GGG Kontaktstelle jetzt noch präsent?

Fanus: Einmal kam Frau Rosslow vorbei.

Susanne: Genau, sie kam einmal für eine Art Kontrollbesuch vorbei. Da haben wir dann auch gleich einen Termin abgemacht für den Februar, an dem wir alle zusammen besprechen, ob wir den Mietvertrag verlängern wollen oder nicht. Das Mietgeld für Fanus‘ Zimmer bekomme ich direkt von der Fürsorge.

Für wie lange ist der Vertrag denn angesetzt? 

Susanne: Erstmal für neun Monate. Nach dieser Zeit können dann alle Parteien überlegen, ob sie den Vertrag für weitere sechs Monate verlängern wollen.

Gibt es Vorraussetzungen, die man erfüllen muss, um einen Gast aufnehmen zu dürfen?

Susanne: Kaum. Ein eigenes Zimmer sollte zu Verfügung stehen. Im Idealfall auch ein eigenes Bad. Aber das ist hier ja in den meisten Wohnungen nicht der Fall. Ansonsten gibt es keine konkreten Vorschriften. Es spielt auch keine Rolle, ob man eine klassische Familie ist oder eine WG oder alleinstehend. Da ist alles möglich.

Wie gestaltet ihr das Zusammenleben? Unternehmt ihr viel zusammen oder lebt ihr hauptsächlich unabhängig voneinander?

Susanne: Wir sind alle viel unterwegs. Ich bin berufstätig und Fanus hat auch immer viel vor.

Fanus: Ja, ich bin jeden Tag in der Schule bis drei oder vier und oft auch bei Freundinnen, in der Kirche oder beim Schwimmen.

Susanne: So lassen wir uns gegenseitig viel Raum, wir sind ja alle erwachsen. Aber wir haben auch schon einiges zusammen unternommen. Zum Beispiel haben wir ein Racletteessen gemacht, Fanus war mit meinen Töchtern auf der Herbstmesse und an Heiligabend werden wir gemeinsam eritreisch kochen.

Das klingt ja ganz entspannt. Gibt es auch Dinge, die ihr voneinander gelernt habt? Was euch vorher unbekannt war?

Susanne: Fanus steht oft lange in der Küche und backt Brot. Dafür hat sie ganz eigene Utensilien und benutzt ein besonderes Mehl aus Hirse, das Sorghummehl heisst. Das finde ich spannend.

Und du, hast du auch was von deiner Schweizer Gastfamilie gelernt?

(Fanus überlegt.)

Susanne: Mir würde da was einfallen. Ich komme doch jeden Sonntagabend bei dir vorbei.

Fanus: Ja genau, wegen dem Abfall.

Susanne: Ja genau. (lacht) So richtig schweizerisch. Montags ist hier Müllabfuhr. Dann frage ich sie immer, ob sie was für in den Bebbisagg hat.

Ihr habt vorhin erzählt, dass der Mietvertrag nur befristet ist. Wie fühlt es sich für euch an, dass dieses Projekt nur ein Zusammenleben auf sehr beschränkte Zeit ist?

Fanus: Ich überlege mir das gar nicht so. Ich bin jetzt glücklich mit der Situation und denke nicht so sehr in die Zukunft.

Susanne: Ja, ich glaube, da ist Fanus anders als ich oder meine Tochter. Ich denke jetzt schon an Februar und wie das dann sein wird und sie lebt einfach jetzt im Moment. Das hat etwas sehr Schönes.

Zu guter Letzt ein kleines Résumé: Wie hat sich euer Leben verändert, seit ihr hier zusammen lebt? Seid ihr froh, diesen Schritt gemacht zu haben?

Fanus: Ja, hier habe ich mehr Ruhe und ein Zimmer für mich alleine. In der Wuma habe ich zusammen mit einem anderen Mädchen im Zimmer gewohnt und mit ihr auch das Bad geteilt. Ausserdem hatte ich dort viele Pflichten. Ich musste dort viel mehr putzen und sauber machen als hier.

Susanne: Ich finde auf jeden Fall, dass es sich lohnt, so ein Experiment auszuprobieren. Ich habe so viel gelernt zusammen mit Fanus auch über ihr Land. Das ist ein Geschenk. Wir haben Raum im Überfluss, den wir wunderbar teilen können ohne uns einschränken zu müssen.

 

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