Wer arbeitet in der kleinsten Armee der Welt? Portrait eines ehemaligen Schweizergardisten

Romano Pelosi im Einsatz als Schweizergardist | Bild: Osservatore Romano

Während viereinhalb Jahren arbeitete Romano Pelosi als Schweizergardist im Vatikan. Seine Hauptaufgabe: den Papst und seine Residenz zu schützen. Im Interview erzählt Romano vom Alltag im Vatikan, von seiner Motivation für diesen besonderen Berufsweg und wie seine Reise mit einer zweiwöchigen Vespa-Fahrt zu Ende ging.

Die Päpstliche Schweizergarde wurde bereits 1506 gegründet. Heute sind noch 135 Mann zum Schutz des Heiligen Stuhls angestellt. «Acriter et Fideliter», zu Deutsch «tapfer und treu», lautet das Motto der Gardisten. Romano Pelosi (25, Student an der Universität Basel) verbrachte viereinhalb Jahre an diesem Ort, den ein «Hauch von Ewigkeit» umgibt, in einer Welt zwischen Tradition und Innovation.

Wie kamst du dazu, Schweizergardist zu werden?

Nach dem Gymnasium absolvierte ich zunächst die Rekrutenschule. Ich wollte meinen Horizont erweitern und nicht direkt mit dem Studium beginnen, ich brauchte ein Abenteuer. Wie heisst es doch so schön: «Life begins at the end of your comfort zone.» Nach einem Gespräch mit einem ehemaligen Gardisten habe ich mich mit dem Bewerbungsprozess auseinandergesetzt. Die Faszination hat mich sofort gepackt, da brauchte es nicht viel Überlegungszeit.

Wie kann ich mir deinen Alltag im Vatikan vorstellen?

Nach der zweimonatigen Ausbildung bei der Tessiner Kantonspolizei und in der Rekrutenschule der Schweizergarde im Vatikan wurden wir in drei Sektionen, sogenannte Geschwader, eingeteilt. Grundsätzlich arbeitet man sechs Tage und hat dann drei Tage frei. Aber natürlich gibt es auch Bereitschaftsdienste. Je nach Dienstgrad und Italienischkenntnisse bekommt man unterschiedliche Aufgaben zugeteilt. Die Arbeit ist physisch anstrengend, einerseits vielfältig, aber es ist auch viel Routine dabei.

Die meisten Gardisten wohnen in der Kaserne, in Zweier- und Dreier-Zimmern. Es fühlt sich an wie eine grosse WG, was einerseits cool, aber auch sehr anstrengend sein kann. Auf dem ganzen Areal wohnen ungefähr 80 bis 100 Gardisten.

Papst Franziskus begrüsst Romano Pelosi | Bild: Osservatore Romano

Was sind die Hauptaufgaben eines Schweizergardisten?

Unsere Aufgabe ist es, den Schutz des Papstes und seiner Residenz sicherzustellen. Dazu gehört auch der Schutz der öffentlichen Eingänge des Vatikans. Zusätzlich gibt es noch den Ehrendienst, wenn beispielsweise Botschafter*innen und Präsident*innen den Papst besuchen.

Du hast dir eine Vespa gekauft. Was hast du in deiner Freizeit unternommen?

Ich liebe die Stadt Rom und habe immer gerne Museen und Paläste besucht. Mit der Vespa konnte ich natürlich auch die Umgebung der Stadt erkunden. Teilweise gingen wir ans Meer und am Abend an Strandpartys. Die freien Nächte verbrachten wir bei einem Glas Wein oder einem Bier in den endlosen Gassen oder auf den prächtigen Plätzen der Ewigen Stadt Rom. Zudem habe ich im Fussballteam der Schweizergarde, dem FC Guardia, mitgespielt.

Romano auf seiner Vespa vor dem Petersdom | Bild: zVg


Welcher Moment bleibt dir besonders in Erinnerung?

Da gibt es viele. Die persönliche Abschiedsaudienz mit dem Papst am Ende meiner Dienstzeit im Juni 2021 war für mich ein grosses Highlight, ein sehr spezieller Moment. Generell hat mir der Dienst nahe beim Papst unglaublich gut gefallen. Man sieht hinter die Kulissen und erlebt vieles hautnah mit. Man ist eben mittendrin statt nur dabei.

Was hat dir der Dienst persönlich gebracht?

Wenn mir die Arbeit als Schweizergardist etwas gebracht hat, dann ist es eiserne Disziplin. Ich war 18 Jahre alt, als ich in den Vatikan ging und die Erfahrung hat meinen Charakter in verschiedener Hinsicht geformt: Ich lernte Aufgaben mit viel Verantwortung zu übernehmen und entwickelte einen starken Durchhaltewillen. Die Arbeit als Gardist kann aber auch unspektakulär und langweilig sein. Da lernt man durchzubeissen.

Durch Begegnungen mit Menschen aus aller Welt und allen Gesellschaftsschichten lernte ich zudem vieles an Sozialkompetenz. Ich bin nach wie vor täglich in Kontakt mit ehemaligen Gardisten und anderen Menschen, die ich in Rom kennenlernte. Wir haben einen Grundsatz, der besagt: «Einmal Gardist, immer Gardist». Der Vatikan ist ein einmaliges Umfeld mit einem «Hauch von Ewigkeit». Mit ungefähr 2’000 Jahren ist es eine der ältesten Institutionen der Welt. Das fasziniert mich.

Neben der Arbeit im Vatikan konnte ich ausserdem meine Wein-Passion ausleben. Ich habe ganz unterschiedliche Weingüter in Rom und dessen Umgebung besucht und konnte mir viel Wissen zur Weinproduktion und dem Traubenanbau aneignen.

Gab es während deines Dienstes auch schwierige Momente?

Es war immer schwierig, wenn man das tägliche Leiden randständiger und obdachloser Menschen miterlebt hat. Aber das traurigste Ereignis war der Verlust eines engen Freundes, auch ein Ex-Gardist, kurze Zeit nach unserem Dienst im Vatikan. Durch einen unnötigen Unfall habe ich einen Freund verloren, auf den ich immer zählen konnte. Das ist sehr traurig und beschäftigt mich nach wie vor. Wir Gardisten (Aktive und Ehemalige) sind eine eingespielte und verschworene Gemeinschaft. Ein solch tragisches Ereignis geht uns sehr nahe. Wir halten immer zusammen.

Nach den obligatorischen 26 Monaten hast du dich entschieden, weiterhin in der Schweizergarde zu bleiben. Wieso?

Es war die Freude am Beruf und die Motivation für mehr Erfahrungen. Es war eine Entscheidung ganz nach dem Motto «Mach das, was dir Freude macht.». Ich merkte, dass ich meine Zeit noch nicht voll ausgeschöpft hatte.

Kannst du noch etwas über die farbige Uniform erzählen?

Die Uniform der Schweizergardisten ist eine typische Renaissance-Uniform in den Farben der Medici-Familie. Diese wird im täglichen Dienst getragen, in der Sommerhitze wie auch im kühlen Winter. Die Uniform verlieh mir immer ein Gefühl von Stolz.

Deine Rückreise nach Rheinfelden war speziell. Wie war es für dich, wieder in der Schweiz anzukommen?

Meine Vespa, die mich während vielen Entdeckungstouren in Rom begleitet hat, wollte ich mit nach Hause nehmen. So fuhr ich zwei Wochen lang entlang der ligurischen Küste und durch die Weinreben der Toskana und des Piemonts bis nach Rheinfelden. Dies war ein sehr schöner Abschluss meiner Zeit im Vatikan.

Die ersten Monate zurück in der Schweiz waren schwierig. Ich musste mich wieder neu einleben und habe natürlich auch der tollen Zeit im Ausland nachgetrauert. Die viereinhalb Jahre im Vatikan haben mich sehr geprägt. In Zukunft könnte ich mir auch vorstellen, in der diplomatischen Abteilung des Staatssekretariates des Heiligen Stuhles oder im Pressebüro des Heiligen Stuhles zu arbeiten.

Andrina Schmitz

Während ihres Auslandaufenthalts in Kolumbien wurde Andrina klar, dass Politik gar nicht so langweilig ist, wie sie dachte. Seither gehören Diskussionen über aktuelle Themen genauso zu ihrem Alltag wie dunkle Schokolade und Grapefruitsaft. Wenn sie nicht gerade Sport treibt, kalte Pasta isst oder neue Pflanzen kauft, hat sie wahrscheinlich gerade genug vom Stadtleben und verzieht sich in die Berge, um ihr Gleichgewicht zwischen Alpenrosen und Steinböcken wiederzufinden.

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