Vorlesungen, Selbststudium und die Quadratur des Kreises

Der Semesterbeginn geht, vor allem für Studierende der großen Studiengänge, mit vollen Hörsälen einher. Mit den Wochen lichten sich die Reihen aber zunehmend. Oft gibt es keine Anwesenheitsplichten, und so lernt manch einer lieber zu Hause. In einigen Fällen geht das gut, andere erleben an den Prüfungen aber unschöne Überraschungen. Warum lernen also trotzdem so viele lieber daheim?

Währende des ersten Jahres im Studium der Wirtschaftswissenschaften gibt es einige Veranstaltungen, die von über 600 Studierenden belegt werden. Trotzdem besucht oft nicht einmal die Hälfte von ihnen die Vorlesung. Das gilt aber nicht nur für die Wirtschaftswissenschaften, auch bei den Medizinstudis ist dieses Phänomen zu beobachten, versichert mir meine Blogger-Kollegin Luzia:

„Unter den Medizinstudis gibt es einige, die man nur an den Prüfungen und obligatorischen Veranstaltungen sieht. Viele unserer Vorlesungen werden nicht zusammenhängend über mehrere Wochen von einem Dozenten gelesen, d.h. der Zusammenhang fehlt oft. Auch für einige der Praktika in den ersten Jahren gibt es keine Anwesenheitspflicht. Es kam schon vor, dass in einem Praktikum anstelle von zwanzig Teilnehmern, nur zwei Studis anwesend waren. Betreut von mehreren Lehrpersonen. Auch bei uns sind Lehrveranstaltungen am Morgen schlechter besucht als solche am Nachmittag.“

Gründe für geringe Anwesenheit:

Veranstaltungszeitpunkt

Es fällt auf, dass besonders Vorlesungen am frühen Morgen eine geringere Anwesenheitsdichte aufweisen. Eine Vorlesung um acht Uhr bedeutet für viele Pendler, dass der Wecker schon vor sechs Uhr klingelt. Eine Uhrzeit, die viele Studis nur aus Erzählungen kennen. Daher entscheiden sich einige nach den einführenden Veranstaltungen dafür, den Rest des Semesters zu Hause zu lernen.

Weite Wege

Viele Studierende der Uni Basel pendeln täglich. Wer zwei Stunden mit dem Zug nach Basel fährt, überlegt sich zwei Mal, ob er für die eine Vorlesung am Freitag wirklich vier Stunden Fahrzeit auf sich nimmt oder in dieser Zeit lieber den Stoff zu Hause aufarbeitet.

Unterlagen

Für die allermeisten Lehrveranstaltungen werden heute im Voraus Skripte und/oder Slides veröffentlicht. Manchmal kann es ausreichen, diese zu lernen und sie durch Informationen aus der angegebenen Literatur zu ergänzen.

Wiederhohler

Oft vergisst man, dass Studierende Lehveranstaltungen nicht zum ersten Mal belegen. Für gewisse Studiengänge gibt es keine Wiederhohlungsprüfungen. Besteht man eine Prüfung also nicht, muss man die Veranstaltung im nächsten Jahr noch einmal belegen. Viele Studierende erscheinen dann nur noch zur Prüfung.

Was spricht trotzdem dafür Veranstaltungen zu besuchen?:

Einfacheres Lernen

Meist fällt das Lernen leichter, wenn man den Inhalt schon einmal gehört hart. Besucht man Lehrveranstaltungen regelmässig, verarbeitet man den Stoff anders als beim einfachen Durchlesen daheim. Dies gilt aber nicht nur für Vorlesungen, vor allem Tutorate helfen dabei, die Vorlesungsinhalte zu vertiefen. Wer den Stoff kontinuierlich aufarbeitet, merkt nicht erst eine Woche vor der Prüfung, dass man die Lösungsfolien eben doch nicht ganz verstanden hat. Der Austausch mit Kommilitonen ist wichtiger Bestandteil des Lernprozesses. Wer immer nur zu Hause am Schreibtisch lernt, verpasst es, Unklarheiten mit anderen zu diskutieren.

„Aber er hat gesagt….“

Viele kennen Studierende höherer Semester. Das kann durchaus hilfreich sein: man kann Bücher ausleihen und bekommt gute Ratschläge. Sätze wie: „Vorlesung XY kannst du dir aber schenken, da reicht es zu Hause zu lernen“ sollte man aber gekonnt ignorieren. Nur weil jemand die Veranstaltung besteht ohne sie besucht zu haben, heisst das nicht, dass es auch für alle andere gelten muss. Wer Vorlesungen aus Prinzip nicht besucht, verpasst etwas, egal in welcher Hinsicht. Also lieber jedes Semester und für jede Veranstaltung individuell entscheiden, ob man sie tatsächlich ausfallen lassen möchte.

Fragen stellen

Nicht immer versteht man alles auf Anhieb. Beschäftigt man sich eine Weile mit Lerninhalten und hat immer noch Fragen, kann es helfen, diese persönlich an den Dozenten zu richten. E-Mails sind schön und gut aber im persönlichen Gespräch lassen sich Unklarheiten immer besser klären.

Was, wenn man sich doch dazu entscheidet zu Hause zu lernen? Hier sind einige Tipps und Tricks die helfen können:

Den richtigen Lern-Ort finden

Wer daheim lernt sollte einen festen Lernbereich definieren. Slides im Bett durchlesen endet schnell in einem ungeplanten Mittagsschläfchen. Wer sich Lernzeiten setzt und immer am selben Ort lernt ist am Ende effizienter.

Erweiternde Literatur verwenden

Wer nur stupide Slides auswendig lernt, wird sich langfristig nur an wenig erinnern. Es hilft, sich darüber hinaus mit den Inhalten zu beschäftigen, um sie zu vertiefen. Dabei muss man sich nicht nur auf die vom Dozenten angegebene Literatur beschränken. Erweiternde Literatur, die z.B. auf ein konkretes Beispiel eingeht, kann helfen, einzelne Inhalte zu illustrieren und erleichtert so den Lernprozess.

Zusammenhänge verstehen

Manchmal ist es schwer die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Themen zu verstehen, ohne die Lehrveranstaltung besucht zu haben. Grosse Plakate können hier helfen. Was zunächst nach Primarschule klingt, hilft langfristig den Überblick zu behalten. Je mehr man versucht, Inhalte in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen, desto mehr bleibt im Gedächtnis hängen.

Ehrlich zu sich selbst sein

Natürlich ist es schön, sich gegen den Besuch einer Lehrveranstaltung zu entscheiden und dann einen Nachmittag in der Sonne zu verbringen. Wird das zur Regel kommt man am Ende des Semesters aber in Schwierigkeiten. Für Zusammenfassen, Lernen und Wiederhohlen bleibt zu wenig Zeit und die Verzweiflung ist vorprogrammiert. Wenig erfolgreich an den Prüfungen wird hingegen auch der oder die sein, die zwar reglemässig stundenlang am Schreibtisch sitzt, die meiste Zeit davon aber am Handy rumspielt. Lieber kürzere Zeitspannen konzentriert zum tatsächlichen Lernen nutzen, als Stunden mit „Alibi-Lernen“ zu vergeuden.

Arbeitsgruppen bilden

Auch wenn man die Vorlesungen nicht besucht, sollte man auf den Austausch mit Kommilitonen auf keinen Fall verzichten.

 

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