Es fing mit einem Text von Ilse Aichinger an, der «Spiegelgeschichte». Die Kurzgeschichte packte mich mindestens so sehr wie ihre Besprechung in der Klasse. Die Interpretation, die Hintergrundinformationen, die Rezeption – Ich entschied zu studieren, was mich begeisterte. Dass das Studium der Deutschen Philologie dann so ganz anders aussieht als eine gesellige Runde in einem stickigen Klassenzimmer, faszinierte mich nochmals aufs Neue.
Rätsel lösen und die Werkzeuge dafür
Im Deutschunterricht an der Kantonsschule kam es mir häufig so vor, als würde ich versteckte Botschaften in den Romanen und Gedichten suchen und finden. Jede Geschichte hatte ihre eigenen Rätsel, ihren eigenen Weg, sie zu entschlüsseln, und immer wieder brauchte ich dafür neues Werkzeug. Der Entscheid, welches Fach ich studieren würde, fiel mir daher nicht schwer.
Den Aufbau des Bachelorstudiums der Deutschen Philologie ist einfach und klar. Es gibt drei Module, nämlich Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Linguistik und Mediävistik. Letzteres kennen wohl die wenigsten, bevor sie sich erkunden, was das Germanistikstudium alles beinhaltet. Mediävistik ist die Wissenschaft rund um die ältesten erhaltenen schriftlichen Erzählungen auf Deutsch: Mittelalterliche Schriften.
Linguistik und Mediävistik werden an der Kanti kaum behandelt
Es stellte sich dann heraus, dass das Studium der Deutschen Philologie nochmals ein gutes Stück anders ist als an der Kantonsschule. Das finde nicht nur ich, sondern auch meine Mitkommilitonen im Deutschen Seminar. Mein Mitstudent Roger (28, Deutsch und Chemie) erzählt, dass er an der Kanti nur Aspekte der Literaturwissenschaft behandelt hatte. Der Fokus lag auf Erörterungen, «von Linguistik oder Mediävistik jedoch keine Spur». Gut finde er das aber nicht. Immerhin machen diese beiden Teilgebiete einen grossen Teil des ganzen Fachs aus. Linguistik, also die Wissenschaft zur Untersuchung der Sprache an sich und deren Regelsysteme und Gebrauch, kam höchstens in Form von Grammatik an der Kanti vor, meint dahingegen Michael (24, Deutsch und Englisch).
Ich hatte etwas mehr Glück: Im ersten Jahr der Kanti hat die Lehrerin uns Texte zu Vermutungen über die Ur-Entstehung der Sprache vorgestellt und einige Kommunikationsmodelle im Unterricht behandelt. Alexandra (22) hingegen, die noch Medienwissenschaften studiert, hatte in der Schule einiges zu den Dialekten der Schweiz durchgenommen, was ebenfalls zur Linguistik gehört, aber ein einführendes Seminar an der Uni hätte ihr nochmals ganz neue Horizonte eröffnet.
Uns ist in alten mæren wnders vil geseit
Bei allen, mit denen ich geredet hatte, fehlte der Anteil der Mediävistik komplett im Lehrplan der Fachs Deutsch an ihren ehemaligen Kantonsschulen. Dabei fänden wir es alle sinnvoller, wenn kleinere Ausschnitte und der Stoff der Geschichten, ihre Struktur und ihre Sprache, das Alt- und Mittelhochdeutsch, ein wenig behandelt werden würde. Dies würde einen viel grösseren Einblick in das gesamte Fach gewähren. Der Abschnittstitel ist zum Beispiel die womöglich berühmteste Strophe des sogenannten Nibelungenliedes, ein Werk, um welches du hoffentlich nicht herumkommen wirst im Studium ;). Sie bedeutet soviel wie „In alten Geschichten wird uns vieles Wunderbare berichtet“.
Auch die Linguistik bleibt in der Schule etwas auf der Strecke. Dabei gibt es Theorien und Methoden der Psycho-, Sozio- und Ethnolinguistik, die ich gerne schon im Gymnasium kennengelernt hätte. Keine ausführliche Behandlung, denn dafür reichen oft nicht mal die einführenden Seminare, aber kleine Einblicke in Gebiete, die mir in meinem Studium sehr zusagen,und von denen ich vorher leider kaum etwas wusste.
Falls du dir auch überlegst, neben einem Zweitfach Deutsche Philologie zu studieren (denn Germanistik kann man nicht im Monofach studieren), dann empfehle ich dir, dich in einige Vorlesungen reinzusetzen. Am einfachsten geht das mit dem von der Studienberatung angebotenen Schnupperstudium.
Mehr zum Bachelor Deutsche Philologie an der Universität Basel findet ihr hier.