Es kommt immer wieder vor, dass wir Mathestudierenden in der Lerngruppe nur noch Bahnhof verstehen. Da geht es nicht lange, bis irgendjemand vorschlägt: „Schauen wir doch, was der Daniel dazu meint!“ Viele kennen den YouTuber als denjenigen, der Mathematik in fünf Minuten zugänglich macht. Daniel Jung macht aber noch viel mehr als nur Mathevideos: Er setzt sich effektiv für eine Umstrukturierung des Bildungssystems ein. Wie seine Ideen und Vorstellungen aussehen, erfährst du hier im Interview mit ihm.
Deine Mathevideos sind bei uns unter den Studis Kult. Sie erklären erfolgreich schwierige mathematische Verhältnisse. Du hast mit deinen Videos viele von uns durch die ersten Semester Mathe und Physik gebracht, an dieser Stelle also: Danke dir! Aber sag mal: Wieso setzt du dich ausgerechnet für die Mathematik ein?
Weil Mathematik eigentlich das Schönste ist, was es gibt. Ehrlich! Es ist die Grundlage für alles und sollte eigentlich als Lehre der Mustererkennung verstanden werden, und die brauchst du im Leben immer.
Wie bist du dann darauf gekommen, selbst Mathematikvideos ins Netz zu stellen? Und wo fängt man da an?
Im Studium fand ich die Art schon nicht mehr zeitgemäss, wie gelehrt wurde. Das war so 2007. YouTube war da ganz frisch und das MIT und die Stanford University hatten ihre Mathevorlesungen dort gratis online. Das fand ich extrem interessant und hab mir damit den Grossteil beigebracht. Ich dachte mir aber, dass statt 1,5-Stunden-Videos 5-Minuten-Häppchen besser wären. Und los ging’s.
Wie kannst du einschätzen, welche Inhalte wir Zuschauer benötigen?
Ich hab einfach soviel wie möglich abgedreht, von einfachen Grundlagen bis höhere Mathematik und sortiert nach Themen. Jetzt sammle ich noch Feedback und schaue was eventuell noch fehlt.
Warum hattest du das Studium der Mathematik und des Sports gewählt und wieso hast du es dann doch abgebrochen?
Da ich immer Sport und Mathematik gerne gemacht habe und eigentlich nichts anderes konnte. Abgebrochen habe ich mein Studium, da ich sehr früh in die Startup-Welt eingetaucht bin und mir klar war, dass das meine Zukunft ist.
Im Zeitalter von YouTube sprichst du dich gegen den klassischen Nachhilfeunterricht aus. Viele bevorzugen diesen aber immer noch dem Internet gegenüber. Was braucht es noch, um dem Face-to-Face-Nachhilfeunterricht gänzlich Adieu sagen zu können?
Ich habe reichlich Feedback, welches auch öffentlich nachlesbar ist. Schüler und auch Studierende berichten, nur mit meinen Videos durch Prüfungen zu kommen. Andere nehmen noch meine „Mathesnaps“ zur Hilfe. Das sind kleine Aufgaben mit Lösungen. Und wiederum andere brauchen dann noch ihre Fragen „on demand“ gelöst. Ich glaube, viele wissen noch gar nicht, wie effektiv man mit Videos lernen kann. Es wurde jahrhundertelang gleich unterrichtet und nun erst dank neuer Technologie individualisiertes Lernen möglich. Das kann für manche natürlich auch bedeuten, dass der klassische Weg der richtige ist. Für mich läuft es aber auf ein „Spotify der Bildung“ hinaus, wo durch ständiges Nutzen irgendwann personalisierte Vorschläge kommen.
Du sprichst in Interviews häufig von Bildungsrevolution. Was verstehst du darunter?
Nicht mehr Lehren und Lernen wie für die Industrialisierung, sprich bis zu einem gewissen Grad Wissen eintrichtern mit grossem Frontalunterrichtanteil, dann lange Zeit arbeiten gehen. Lebenslanges Lernen, individualisiert, unterstützt durch Technologie, Schulung der Kreativität, unabhängig von Ort und Zeit, das werden die Themen in den nächsten Jahren sein. Diesmal aber mit Startups, die praktikable Umsetzungen präsentieren. Mit einigen davon arbeite ich eng zusammen. Mehr steht auf meiner Website: www.danieljung.education
Du unterstützt Startups, gründest eigene, hast deinen YouTube-Channel und gestaltest Intensivkurse zur Abiturvorbereitung. Wie schaffst du es, bei all deinen Projekten den Überblick zu behalten?
Mit einem kleinen Team, das mich unterstützt und, was viele immer noch nicht mitbekommen in diesem Zeitalter: Work, Work, Work! Mit Mitte 30 bin ich immer noch nahezu jeden Tag in meinen Socials aktiv, kommuniziere mit vielen, verwerte Feedback und lebe den Entrepreneur. Das muss nicht für jeden etwas sein. Ich brenne darauf, den Bildungsingenieur zu spielen. Und ich versuche mein Bestes!
Welche Startups liegen dir besonders am Herzen und weshalb?
Die, die sich um die Zukunft der Bildung kümmern. Vor allem mit Technologie als Unterstützung und nicht als Ersatz für den Menschen.
Und zum Schluss: Welchen Tipp oder Ratschlag zum Unterrichten würdest du mir geben, wenn ich Lehrerin wäre?
Testen, Testen, Testen, was es an technologischer Unterstützung gibt. Sehr einfach eingesetzt sind aktuell Erklärvideos ;)