«science+fiction»: Ungeahnte Blicke auf unseren Körper

Leute vor Leinwand
Zum Auftakt zeigt das Festival drei Filme, die die Thematik «Körper» unterschiedlich behandeln (Bild: zvg/Raphael Hünerfauth).

«science+fiction», das Festival der Wissenschaften, geht in die 5. Runde. Mit der Jubiläumsausgabe «Building Bodies» widmet es sich dieses Jahr dem Thema Körper und dies gleich während des ganzen Monats September. Núria Zellweger war am Eröffnungsabend mit dabei.

Es gibt wohl wenig, was uns je nach Blickwinkel und Erfahrungsweise gleichzeitig so vertraut, fremd, nah und fern sein kann wie der Körper. Unser Körpergefühl und Erleben sind stark von unseren bisherigen Erfahrungen geprägt, die mindestens so unterschiedlich sind, wie wir Menschen selbst. Unser Körper begleitet uns seit dem Mutterleib jeden Tag. Er ermöglicht uns das Leben, bringt uns an Orte, lässt uns den Alltag bestreiten, mit Menschen in Kontakt treten, kommunizieren, berühren. Mein Körper – das Tor zur Freiheit? Doch wo beginnt meine Freiheit, wo hört sie auf? Inwieweit ist mein Körper Privatsache, wenn er doch tagtäglich anderen Menschen und der Öffentlichkeit ausgesetzt ist?

Von solchen Gedankenspielen berichtete Anna Bloom Christen (Philosophin und Anthropologin) im Rahmen ihrer Keynote Speech. Es gelang ihr auf sehr eindrückliche Weise zu beschreiben, wie sehr unser Körpergefühl, so privat und eigen es auf den ersten Blick scheinen mag, von unserer Umgebung geprägt wird. Wir bewegen uns mit unserem Körper als «bewegtes Gefäss für private körperliche Empfindungen» sehr stark im Aussen, treten in Kontakt, berühren und werden berührt – mal mehr, mal weniger achtsam, im ständigen Austausch mit unseren Mitmenschen und der Umgebung.

Mensch statt Projektionsfläche

Schnell wird mir bewusst, wie schmal der Grat ist, damit wir nicht von den eigenen Empfindungen auf Empfindungen anderer schliessen. Fühle ich dasselbe wie mein Gegenüber, wenn wir uns die Hand reichen? Empfinde ich den scheinbar gleichen Schmerz genauso wie ein anderer Mensch? Ich nehme mir vor, mir dessen immer wieder bewusst zu werden, um, wie Anna so schön sagte, im Körper neben mir immer Mensch und nicht Projektionsfläche zu sehen.

Das ursprünglich als wissenschaftliches Filmfestival entstandene Format findet zum ersten Mal im Klybeck-Quartier statt, erzählt mir David vom «science+fiction»-Team. Er studiert Medienwissenschaften und Wissenschaftsforschung im Master und ist seit Beginn dabei. Ziel des Festivals sei es, Wissenschaft im Dialog mit Kultur zu vermitteln und verschiedenste Menschen zusammen zu bringen, um Wissenschaft auf vielseitige und interaktive Weise zu erleben.

aufgehängtes Plakat «Building Bodies»

Wie privat ist der Körper? Wie unterscheiden sich unsere Empfindungen? Und was hat eine Fahrt durch den Körper mit einem russischen U-Boot zu tun? Themen rund um «Building Bodies» (Bild: zvg/Raphael Hünerfauth).

Knetmasse, Illustration, U-Boot

Zur anthropologischen und philosophischen Sicht von Anna brachten drei verschiedene Filme, welche an diesem Abend vorgestellt wurden und das Thema Körper auf ganz unterschiedliche Weise betrachteten, weitere Sichtweisen. Da war einerseits der Film «My Dear Lover» von Filmemacherin Milva Stutz, eine Kombination aus digitaler 3D-Animation und Stop-Motion mit Knetmasse. Der verformbare, haptische Körper der Knetmasse und der so vertraute, aber doch sehr artifiziell anmutende Körper der Hand; sich ständig nah beieinander bewegend und doch in zwei komplett verschiedenen Welten. Zur Berührung kommt es nie, obwohl der Kurzfilm genau dieses Bedürfnis von Beginn an in mir geweckt hat.

Sehr wissenschaftlich anmutend war der Film, den Jean-Yves Wach (Medizinalchemiker) mitbrachte. Zwei Professoren aus Harvard illustrierten das Innere einer Körperzelle auf sehr eindrückliche Art und Weise, um es den Studierenden so schmackhafter und verständlicher zu machen. Im Vergleich zu diesem Mikrokosmos erschien der Ausschnitt aus «Fantastic Voyage» (1966), den David mitgebracht hatte, schon fast aus Vogelperspektive entstanden zu sein. Ein Team im U-Boot auf einer Mission durch den menschlichen Körper, vorbei an retikulären Fasern bis zum Innenohr, auf dem Weg zum Hirn, um dort einem bedrohlichen Blutgerinnsel den Kampf anzusagen. Und dies alles vor dem Hintergrund des kalten Krieges, inklusive russischem Spion.

Leute stehen auf Vorplatz

Das Festival «science+fiction» startet in seine 5. Ausgabe (Bild: zvg/Raphael Hünerfauth).

Facettenreiche Auseinandersetzung

Auf den ersten Blick scheint die politische Perspektive auf den Körper etwas fremd. Doch rasch wird klar: Sie könnte aktueller nicht sein. Denn das Thema Körper lässt sich nicht nur von einer Warte aus betrachten. Es ist eingebettet in unsere kulturelle, persönliche, politische und wissenschaftliche Welt, es gibt Überschneidungen und Konflikte. Und genau diesem Umstand vermag das Programm des diesjährigen «science+fiction» Festivals so gut Rechnung tragen. Ob wissenschaftliche Diskussion, Filmabend, Quiz, Workshop, Stadtrundgang oder Performance – «science+fiction» bietet all das und noch viel mehr und gibt einem so unzählige Gelegenheiten zur facettenreichen Auseinandersetzung mit diesem so vielseitigen, omnipräsenten Thema.

Wenn auch Du dabei sein und für alles gerüstet sein möchtest, kannst du dir den Festivalpass holen, mit dem du alle Veranstaltungen von «Building Bodies» im «Humbug» und im «Neuen Kino» besuchen kannst. Diesen erhältst Du als Student*in zum Preis von 25 Franken. Stadtrundgänge und Workshops kosten separat. Falls Du nur an einer bestimmten Veranstaltung teilnehmen möchtest, so kannst Du diese als Student*in zu einem Preis von 10 Franken besuchen. Es gibt eine Abendkasse vor Ort, auf scienceandfiction.ch kannst Du zudem Festivalpässe kaufen und dich für Workshops/Stadtrundgänge anmelden. Dort findest Du auch das genaue Programm mit allen wichtigen Informationen.

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