Josefin studiert Medizin an der Universität Basel. In ihrem Gastbeitrag stellt sie eine Basler Besonderheit im Medizinstudium vor: das Lernen am Projekt (LaP). Wie LaP genau funktioniert, was man dabei alles lernt und wie es sich anfühlt, zum ersten Mal ein menschliches Herz in den Händen zu halten, lest ihr hier:
Viele Medizinstudierende entscheiden sich aus einem ganz bestimmten Grund für die Universität Basel: Das Lernen am Projekt oder kurz LaP. In dieser Form wird das in der Schweiz nur an der Universität Basel so praktiziert. Das LaP ermöglicht es den Medizinstudierenden im ersten Jahreskurs, die Welt der Medizin in Zehnergruppen zu erkunden, welche jeweils von Tutoren aus den älteren Semestern betreut werden. Dabei wird jeder Gruppe eine Fachrichtung, zum Beispiel Orthopädie, Neurologie oder Kinderchirurgie, zugeordnet, welche man während den ersten beiden Semestern in Sprechstunden, Visiten sowie Seminaren im Spital besser kennenlernt. Man darf sogar bei Operationen dabei sein. Das Ziel des LaPs ist, die Wechselwirkung zwischen Ärzten und Patienten zu erleben, die Auswirkungen einer Krankheit im sozialen Umfeld zu verstehen und den realistischen Alltag eines Arztes zu erfassen. Ausserdem wird man sogleich von den Tutoren in die Welt des Studilebens eingeführt, vor schlechten Vorlesungen gewarnt und auf tolle Veranstaltungen aufmerksam gemacht.
Studieren mit Herz
Ich war in meinem ersten Jahreskurs in der LaP-Gruppe ‚Innere Medizin‘ zu Hause. Wir fokussierten uns folglich auf den ganzen Verdauungsapparat sowie Herz und Lunge. Damit wir nicht gänzlich unwissend in Seminare oder Operationen in den Spitälern antanzten, gingen wir als Vorbereitung in das Anatomische Institut und schauten uns die Organe an echten Präparaten an. Das erste Mal, ein echtes Menschenherz in den Händen zu halten ist ein unglaubliches Gefühl! Unglaublich, aber auch verstörend und ungewohnt, weshalb jemand aus unserer LaP-Gruppe kurz das Zimmer verlassen musste, um Schlimmeres zu verhindern…
Die wandelbare Assistenzärztin
Bei einer Visite im Kantonsspital Liestal durften wir mit einer jungen Assistenzärztin mitlaufen und bei den Gesprächen dabei sein. Ich weiss nicht, was ich genau erwartet hatte, aber ich war total überrascht: Diese Variabilität von unterschiedlichen Lebensqualitäten in den Krankenzimmern und den daraus erforderlichen Umgang mit den Patienten lässt sich kaum beschreiben. Mal braucht der zu Pflegende eine Motivationsspritze von der Assistenzärztin, mal bekommt sie in einem anderen Zimmer ein Lächeln geschenkt, ab und zu muss sie mit harten Geschützen auffahren, um den Patienten zum Umdenken zu bringen, und manchmal ist er gar nicht ansprechbar. Die Assistenzärztin atmet also kurz durch, bevor sie in ein Krankenzimmer geht und muss sich dann jedes Mal aufs Neue auf die jeweilige Situation einstellen und sich angemessen und professionell verhalten. Fünf Minuten später im Zimmer nebenan ist sie aber bereits wieder mit einer ganz anderen Lage konfrontiert. Dieses Selbstvertrauen und diese Herzlichkeit, mit der die Assistenzärztin die Visite gemeistert hat, waren wirklich beeindruckend.
Ich kenne jemanden, den du nicht kennst
Ein ganz toller Nebeneffekt dieser LaP-Gruppen ist, dass man sich untereinander im Studium kennenlernt. Über die eigenen Gruppenmitglieder macht man sich mit deren Freunden bekannt und am Ende des ersten Studienjahres sind alle 210 Medizinstudenten untereinander vernetzt. Man knüpft also schon früh Kontakte und das macht das Medizinstudium auch gleich viel interessanter.
Durch das LaP sammelt man viele Eindrücke vom medizinischen Alltag und viel Motivation für die langen, intensiven Lernphasen. Schliesslich hat man das Ziel vor Augen und ist dann auch gerne bereit dafür zu arbeiten. Ausserdem setzt man sich aufgrund des LaPs zwischenmenschliche Ziele wie: ,,Ich möchte einmal genauso gut mit den Patienten umgehen können wie eben jene Assistenzärztin‘‘ oder vielleicht genau das Gegenteil: ,,So wie dieser Arzt möchte ich niemals werden.‘‘ Eindrücklich ist es allemal.
Mehr über das Medizinstudium findet ihr hier.