Vor zwei Jahren hatte mir eine Freundin und grosse Pinguinenthusiastin von den Pinguinspaziergängen im Zolli erzählt. Es sei eine unterhaltsame und eindrückliche Erfahrung, die man im Winter unbedingt mal ausprobieren solle. Getrieben von einer unerklärlichen Faszination für die kleinen possierlichen Frackträger mit dem tollpatschigen Gang und befeuert durch konsequenten Naturdokukonsum begab ich mich also an einem sonnigen Wintermorgen in den Zoo Basel, um den sagenumwobenen Spaziergängen der Pinguine beizuwohnen.
An einem unscheinbaren Spalt im Beton fand ich mich in einer Traube aus Zolligästen im Altersbereich Kleinkind bis Rentner wieder, welche ebenfalls gespannt auf den grossen Auftritt der flugunfähigen Seevögel warteten. Brav gliederte ich mich in den hinteren Reihen ein, um den kleinsten Zoobesuchern den freien Blick in der ersten Reihe zu überlassen. Die erwartungsfreudige Spannung unter den Gästen erfüllte zu diesem Zeitpunkt die Luft.
Ähnlich wie in einem oscarprämierten Science-Fiction-Spektakel wurde die Spannung gegen 11 Uhr von einem überraschend lauten Initialschrei unterbrochen, welcher das Eintreffen der Geschöpfe ankündigen sollte. chliesslich schaute der erste Schnabel aus dem Betonspalt hervor und, als wäre ein Damm gebrochen, purzelten zuerst die grossen Königspinguine und dann die kleineren Eselspinguine auf den Vorplatz.
Routiniert und mit einem kleinen Sicherheitsabstand versammelten sie sich vor der Besuchermenge. Markus Bracher, Haupttierpfleger bei den Pinguinen, ergänzte lachend: «Einer hat heute keine Lust, der bleibt da», und führte die restlichen Pinguine über eine schmale Holzbrücke auf den Hauptweg.
Wobei, eigentlich erweckte es nicht den Eindruck, als würden die Pinguine einer besonderen Führung bedürfen. Routiniert wie ein Fasnachtszug bahnten sie sich den Weg durch die Menge, und ähnlich wie an Fasnacht klebten die Besuchenden mit den Blicken auf dem sich ihnen auftuenden Bild. Etwa 40 bis 50 Meter liefen die Pinguine so weiter, bis sie sich auf einer verbreiterten Wegstelle sammelten – um sie herum die gebannten Zoobesucher.
Hier erklärte Herr Bracher dem interessierten Publikum dann noch einige Details zum Leben der Pinguine. Themen wie die Altersrekorde der Eselspinguine (34 Jahre) oder die Diätpläne eines schwergewichtigen Neuzugangs aus Dänemark lockerten die Stimmung auf und luden zu Gegenfragen ein. In Anbetracht des vergleichsweise warmen Winterwetters erfolgte der Spaziergang, wie angekündigt, lediglich in seiner Kurzform und die Pinguine kehrten unter faszinierten Zuschauerblicken zurück in die Anlage. Fast schon wehmütig schaute ich ihnen hinterher, wie sie den Rückweg über die schmale Holzbrücke antraten.
Im Interview mit Markus Bracher, Haupttierpfleger bei den Pinguinen im Zoo Basel, hatte ich schließlich noch die Gelegenheit, offene Fragen zu besprechen.
Wieso gibt es den Pinguinspaziergang?
Eine ehemalige Tierpflegerin hat das an anderen Orten gesehen und im Schnee einfach ausprobiert. Sie fand, dass das für die Pinguine eine gute Abwechslung sein könnte. So hat das angefangen und man hat Gefühl bekommen, dass es sowohl den Pinguinen als auch den Besuchern etwas bringt.
Bei kälteren Temperaturen ist die Route für den Spaziergang länger?
Wenn es weniger als 10 Grad Aussentemperatur hat, dann machen wir mehr als die doppelte Strecke und Pinguine dürfen danach direkt draussen bleiben. Das startet dann um 11 Uhr und kann bis 15:00, 16:00 Uhr mittags oder auch mal bis 17:30 abends gehen. Ich sage immer: «Wenn man immer feste Zeiten mit den Tieren hat, dann hören sie auf zu denken und, böse gesagt, verdummen.» Darum läuft auch immer ein bisschen Abwechslung. Mein Wunsch wäre, dass es diesen Winter noch ein wenig Schnee hat, dann können wir mit den Pinguinen auf die Wiese und sie können dort ein wenig schlitteln.
Wer nimmt das Angebot so an? Ich habe gesehen, dass heute viele Kinder dabei waren, die mit grossen Augen den Pinguinen gefolgt sind.
Beim Spaziergang auf Pinguine zu schauen ist ein kleiner Teil, auf die Besucher zu schauen ist der andere. Aber nicht mal unbedingt auf Kinder. Die Erwachsenen, die mit Kindern hier sind, sind selbst so fasziniert, dass sie ringsherum alles vergessen, auch ihre Kinder. Dann gibt es eben Kinder, die man fast nicht mehr zuordnen kann. Es ist also sehr interessant, wer da so gebannt ist.
Was können wir als Menschen von Pinguinen lernen?
Das ist Ansichtssache. Man könnte sagen: «Der Pinguin an sich ist partnertreu». Und noch etwas: Wenn es richtig kalt ist, bis minus 40 Grad haben sie keine Probleme, aber wenn es mal kälter ist oder ein Sturm aufkommt, dann stehen die Pinguine zusammen, bilden einen Kreis und jeder darf mal im wärmenden Inneren stehen. Sie bilden ein Kollektiv, das aufeinander achtet.
Sind Pinguine grundsätzlich in der Gruppe zusammen?
Grundsätzlich schon, ausser unserem Jüngstem. Der ist immer interessiert an den Leuten und was die anderen Pinguine machen, ist ihm dann egal. Er ist jetzt ein Jahr alt.
Was gibt es zur Haltung der Pinguine zu berichten?
In der neuen Anlage wurden einige Dinge geändert, die vorher nicht optimal waren. Zum Beispiel war es vorher ein Problem, dass es Jungtiere gab, die unablässig nach Futter gebettelt haben, ohne dass die Eltern eine richtige Rückzugsmöglichkeit hatten. Das heisst, dass die Elterntiere ständig mit Füttern beschäftigt waren und abgenommen haben. Die Jungtiere wurden dafür breiter und breiter. Die neue Anlage ist jetzt zweigeteilt und über eine Tür oben und eine Schleuse im Wasser verbunden. Da die Jungtiere mit dem ersten Gefieder noch nicht ins Wasser können, reicht es jetzt den Durchgang im Gehege zu schliessen, so dass die Erwachsenen durch die Schleuse tauchen können, um Ruhe zu haben.
Wann wurde die neue Anlage geöffnet?
Am 15. Dezember kamen die Pinguine zurück in die neue Anlage.
Gibt es Hierarchien bei den Pinguinen?
Nein, eigentlich nicht. Jeder hat seinen Charakter. Es gibt ein paar freche und auch ein paar schüchterne, die dann zum Beispiel Stress haben, wenn man versucht sie anzufassen. Es gibt einen, der den Kontakt sucht. Das kann sich auch verändern. Wir haben unseren Neuzugang aus Dänemark als heiklen und feinen Charakter übermittelt bekommen und inzwischen steht sie beim Füttern ganz vorne und wir müssen wirklich schauen, dass sie nicht zu viel bekommt. Sie ist optisch auch schwer auseinander gegangen.
Für wen ist der Pinguinspaziergang?
Für alle, die einfach mal den Kontakt zu den Pinguinen erleben wollen. Es kommt gar nicht so sehr auf die Strecke an. Alleine die Tiere ohne die Scheibe zu erleben, ich glaube das macht für die Besucher schon ganz viel aus.