Der Job als Stellvertretungslehrperson ist allseits beliebt. Man erhält so Einblicke, nicht nur in Bezug auf das zu vermittelnde Wissen, sondern auch in Bezug auf das Sozialgefüge einer Schule.
Als ich von meinem Auslandsstudienjahr in Frankfurt nach Basel zurückkam, war ich unsicher, ob ich weiterhin meine Fächer Medien-und Wirtschaftswissenschaften studieren oder doch lieber den Weg der Sek-1-Lehrerin einschlagen sollte. Meine Eltern waren davon überzeugt, dass ich einen super Job als Lehrerin machen würde.
Um nichts unversucht zu lassen, entschied ich mich dafür, während meiner Semesterferien ein kurzes Praktikum an einer Sekundarschule zu absolvieren. Ich begleitete verschiedene Lehrpersonen und lernte so den Schulalltag aus der Lehrpersonen-Perspektive kennen. Als sich mir nach dem kurzen Praktikum die Möglichkeit bot, als Stellvertretung neben meinem Studium unterrichten zu können, ergriff ich die Chance und hatte wenige Wochen später meine ersten Vertretungsstunden.
Stellvertretung in den verschiedenen Leistungsniveaus
In den ersten Lektionen, die ich unterrichtete, lernte ich die verschiedenen Leistungsniveaus kennen. Sie sind unterteilt in P, E und A, wobei P der leistungsstärkste und A der leistungsschwächste Zug ist.
Schnell lernte ich, dass ein Leistungsniveau nicht zwingend damit zu tun haben muss, wie eine Klasse arbeitet. Es gibt P- Klassen, die laut sind und unpräzise arbeiten und A-Klassen, die auch in der Pause noch weiter ihre Aufgaben erledigen. Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall. Deswegen weiss man im Vorhinein nie genau, was einem in der nächsten Lektion erwarten wird.
Bevor man eine Stellvertretung gibt, spricht man sich kurz mit der zu vertretenden Lehrperson ab und klärt ab, ob man den Unterrichtsstoff weiterführen soll oder selbst etwas vorbereiten kann. So konnte ich schon mit E-Klassen über Themen wie «Mental Illness», Migrations-oder Gesellschaftsthemen diskutieren; Themenbereiche, die nicht zwingend im Lehrplan stehen, dennoch interessant sind und mit dazugehörigen Aufgaben und Diskussionsrunden gut in den Unterricht eingebaut werden können.
Auch führte ich P-Klassen in die Volkswirtschaftslehre ein, um ihnen einen Einblick zu geben, was sie später im Gymnasium erwarten könnte oder las mit A-Klassen einen Text über die sozialen Netzwerke und wir diskutierten anschliessend darüber.
Neben dem Fachlichen darf aber auch das Soziale nicht fehlen: Als Stellvertretungslehrerin ist es besonders herausfordernd, neben der Wissensvermittlung auch Ruhe in die Klasse zu bringen. Da man nicht jeden Tag in Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern ist, muss man sich erst einmal vor der Klasse positionieren und die Regeln klarstellen.
Denn auch wenn es noch so toll ist, spannende Themen zu diskutieren, so ist man auch oft mit Situationen konfrontiert, die man davor noch nicht kannte. Es kann sein, dass der Unterrichtsstoff, den man vorbereitet hat, zu schwer ist und die Schüler*innen unruhig werden. Manchmal gibt es Phasen, da sind Scheren oder spitze Gegenstände besonders beliebt: damit wird dann herumgefuchtelt oder Schulmaterial zerschnitten. Es gibt Tage, an denen eine Klasse schreiend durch die Turnhalle rennt, obwohl die Aufgabe war sich einen Basketball zu holen. Es kann auch passieren, dass, wenn man Schülern bei schönem Wetter erlaubt an der frischen Luft zu arbeiten, man einen Schüler auf einem Baum sitzend entdeckt. Nicht gerade ungefährlich.
Das sind alles Situationen, mit denen man in diesem Moment lernt, umzugehen. Man versucht in den Lektionen, in denen man für die Schüler*innen die Verantwortung hat, das Beste daraus zu machen und situativ zu handeln, denn man weiss nicht genau, wie weit sie in ihrem Können sind und welche Geschichte sie mit sich bringen. Deswegen ist es umso wichtiger, sich in dieser kurzen Zeit darauf einzulassen, was kommen mag und flexibel zu reagieren.
In keiner Klasse sieht man so viele Fortschritte wie in einer DaZ-Klasse
Nach etwa einem Jahr hatte ich meine erste Stellvertretung in einer DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache). War ich es bis dahin gewohnt, mit 20 Schülerinnen und Schülern in einem Raum zu sein und darauf zu achten, dass sie ihre Arbeitsblätter korrekt ausfüllen, stellte mich der DaZ-Unterricht vor ganz neue Herausforderungen.
Es sind meistens um die 10 bis 15 Kinder, die erst kürzlich aus aller Welt in die Schweiz gekommen sind. Alle sind hier, um erst einmal Deutsch zu lernen, bevor sie dann in eine Klasse eingeteilt werden. Jede*r bringt eine andere Geschichte mit. Einige von ihnen sind alleine in die Schweiz gekommen, andere wiederum mit ihren Eltern oder einem Geschwisterteil, alle erleben gerade einen Neuanfang.
Im Klassenzimmer sind meist mehrere Lehrpersonen, denn das Lernen einer neuen Sprache, ja sogar einer neuen Kultur ist eine grosse Herausforderung für diese Schüler*innen.
In diesen Klassen gibt die Dankbarkeit der Schüler*innen Motivation, sich als Lehrperson zu engagieren. Wenn man immer wieder Vertretung in diesen Klassen gibt, sieht man die grossen Fortschritte. Das ist besonders schön. So hatte ich vor einem Jahr zwei Schülerinnen aus Albanien, die kein Wort Deutsch konnten. Jetzt, ein Jahr später, sind sie sehr engagierte Schülerinnen, die gerne plaudern.