Sozialer Stadtrundgang: Das andere Basel
Also Wolfgang kennt ihr vermutlich, zumindest seine Stimme. Wenn er am Bahnhof SBB steht, unten beim Eingang, und das Strassenmagazin SURPRISE feil bietet, kann man ihn fast nicht überhören. Wir waren mit Rolf und Wolfgang in Basel unterwegs und sind begeistert.
Wolfgang heisst mit Nachname Kreiblich und Rolf heisst Mauti. Rolf ist obdachlos, Wolfgang hat inzwischen wieder eine Wohnung. Seit April haben die beiden eine neue Aufgabe, sie sind Stadtführer. Gemeinsam zeigen sie den Leuten «ihr Basel». Sozialer Stadtrundgang nennt sich das, organisiert durch den Verein Surprise. Bisher hatte ich Wolfgang immer nur «Surprise, Strassenmagazin!» rufen hören, wenn er unten beim Bahnhof stand. Kaum mehr als zwei Worte. Dabei haben er und Rolf eigentlich wahnsinnig viel zu erzählen.
Zum einen haben die beiden viel erlebt, sie sind ja nicht obdachlos zur Welt gekommen. Und andererseits kennen sie ihre Stadt wirklich gut. Rolf weiss zum Beispiel, wo man in Ruhe und im Trockenen schlafen kann – und wo man nachts regelmässig geweckt wird.
Und man darf auch Fragen stellen: Wie hast du es geschafft, eine Wohnung zu bekommen, Wolfgang? Wozu hast du ein Smartphone, Rolf und wieso gehst du nicht aufs Sozialamt, wenn du nicht auf der Strasse leben willst?
Auf ihrem Stadtrundgang haben uns Rolf und Wolfgang durch die Gegend um den Bahnhof geführt und gezeigt, was für Obdachlose, Ausgesteuerte oder andere Armutsbetroffene wichtig ist. Existentiell, das merkt man gleich, sind nicht nur Essen und ein beheizter Raum, sondern vor allem auch gute Gesellschaft. Übrigens singen Rolf und Wolfgang im Strassenchor, wenn man Glück hat, bekommt man während dem Stadtrundgang eine Kostprobe aus ihrem Repertoire. Beide sind geübte Erzähler, Entertainer, könnte man sagen. Man merkt, sie machen das gerne und haben sich gut überlegt, was sie sagen wollen.
Das gilt im übrigen auch für Markus, er führt ebenfalls einen Sozialen Stadtrundgang. Es gibt im Ganzen drei Stadtführer und drei unterschiedliche Touren in Basel, eine beim Bahnhof und zwei im Kleinbasel.
Jetzt kann man natürlich fragen: Wieso sollte ich wissen wollen, wo man für drei Franken essen kann und wo im Bahnhof die guten Schlafplätze sind, schliesslich habe ich eine Wohnung und kaufe mein Essen in der Migros. Der Grund für diese Stadtrundgänge ist der: Manche Leute in Basel sind praktisch unsichtbar. Sie leben ihr Leben, versuchen das Beste aus dem zu machen was sie haben und können, wollen Spass haben und Stolz auf sich sein, genau so wie wir. Bloss sind sie am Rand der Gesellschaft und wir sind mittendrin. Und deswegen gibt es dieses andere Basel, das viele Basler gar nicht kennen. Und das zeigen uns Wolfgang, Rolf und Markus in ihren drei Stadtführungen.
1 Kommentar
Di, 18. Juni 2013 / 23:42 Uhr
Dein Beitrag zum «Sozialen Stadtrundgang» hat mich sehr, sehr gefreut!!! Vielen Dank, dass Du das auch an der Uni platzierst. Markus, der «3. Mann» der Stadtführer