KaziBantu – Wenn eine Masterarbeit zur Herzensangelegenheit wird

Sporttreibende Kinder im Rahmen des KaziBantu-Projekts

Was lernt man beim Schreiben einer Masterarbeit? Wie man gezielt an eine wissenschaftliche Fragestellung herangeht? Wie man bereits publizierte Studien vergleicht, interpretiert und Schlüsse für die eigene Studie daraus zieht? Oder wie man mit anderen Wissenschaflern im selben Projekt kooperiert, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen? Die Masterarbeit von Roman Aebischer ist viel mehr als all das. In einem Gastbeitrag erzählt er, wieso er noch seinen Grosskindern davon erzählen wird.

Mein Masterstudium habe ich in «Exercise and Health Sciences» am Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit an der Unviersität Basel absolviert. Als es bei der Präsentation der Masterarbeitsthemen darum ging, ein Thema für die Thesis zu finden, war ich überzeugt davon, eine Laborstudie aussuchen zu wollen. Möglichst eine Studie mit Topathleten, Leistungstests und dem ganzen sportwissenschaftlichen Krimskrams. Schliesslich wollte ich ja ein «richtiger» Sportwissenschaftler werden und da gehört sowas unbedingt dazu, oder? Eben, sag ich ja… Aber dann passierte etwas ganz unerwartetes.

Uns Masterstudierenden wurde noch ein letztes Projekt vorgestellt. Ein Projekt, welches ich so definitiv nicht auf dem Schirm hatte. Es hiess «KaziBantu» (finanziert von der Novartis Foundation) und warf kurzerhand all meine bisherigen Ideen über Bord…

Was ist «KaziBantu»?
Das internationale Forschungsprojekt der Universität Basel (www.kazibantu.org) in Zusammenarbeit mit der südafrikanischen Nelson Mandela Universität in Port Elizabeth und dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institute in Basel ist ein Nachfolgeprojekt der DASH («Disease, Activity and Schoolchildren’s Health») Studie, welche im Jahre 2014 startete.

Das Ziel von DASH war es, während drei Jahren medizinische Parameter für die Gesundheit und das Wohlbefinden von über 1000 Schulkindern in acht Schulen in benachteiligten Regionen rund um Port Elizabeth in Südafrika zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass Krankheiten, welche mit der Armut sowie dem Lebensstil zusammenhängen, die schulischen sowie die sportlichen Leistungen, aber auch die soziale sowie die emotionale Entwicklung von Kindern negativ beeinträchtigen.

Direkt an die Pilotstudie anschliessend folgte das zweite Projekt mit dem Titel «KaziBantu». Der Name KaziBantu ist zusammengesetzt aus dem Swahili-Wort «Kazi» mit der Bedeutung «aktiv» und dem Begriff «Bantu», welcher ein Sammelbegriff für über 400 Ethnien aus Mittel- und Südafrika ist. Ziel dieses Folgeprojekts war es, Lehr- und Lernunterlagen zu erstellen, welche es Primarlehrer von benachteiligten Schulen erleichtern soll, einen gesunden Lebensstil in den Schulalltag zu integrieren, um so die Kinder in einer aktiven und gesundheitsbewussten Lebensweise in, aber auch ausserhalb der Schulzeit zu unterstützen. Das Toolkit sollte zusammengesetzt werden aus Lerninhalten für das Schulfach «Lifeskills», mit Lektionen zum Thema «Physical Education», «Moving to Music» und «Health and Hygiene».

Klingt attraktiv, oder? Und es hört sich gleich noch viel besser an, wenn dir gesagt wird, dass du für diese Masterarbeit nach Südafrika reisen solltest, um dir ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen. Die Sache war klar, das war mein Projekt!

Noch am selben Abend haute ich in die Tasten, um meine Bewerbungsunterlagen als Erster einzureichen Und so wurde ich Teil eines 5-köpfigen Schweizer-Teams, welches nach Südafrika reiste, um in den Township-Schulen von Port Elizabeth Unterrichtslektionen zu beobachten und Neue auszuarbeiten.

«Molo» South Africa
Die Freude war riesig! Aber halt mal? Wo genau gingen wir schon wieder hin, um diese Lektionen zu beobachten? In die Townships? Plötzlich klingelten bei mir die Alarmglocken. Da war doch etwas mit diesem Begriff «Townships». Ach ja stimmt, die Townships sind ein Überbleibsel, ja quasi ein Mahnmal der schrecklichen Geschichte Südafrikas. Einer der Orte, wo die schwarze sowie die farbige Bevölkerung Südafrikas während der grausamen Zeit der Apartheid verbannt und zusammengepfercht wurde. Zum ersten Mal war ich mir plötzlich nicht mehr ganz so sicher, ob das Ganz mit der Masterarbeit eine gute Idee war. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Angst davor, aufgrund meiner weissen Hautfarbe verurteilt zu werden und Rassismus am eigenen Leib zu spüren. Hätte ich es den Leuten in den Townships übelnehmen können, nach wie vor einen Groll gegenüber der weissen Bevölkerung zu hegen? Nein.

Mit einem mulmigen Gefühl im Gepäck,aber noch viel mehr Vorfreude, reiste ich zusammen mit meinen vier Kommilitonen in Richtung Südafrika. Die Abenteuerlust war förmlich greifbar und mein mulmiges Gefühl spätestens beim ersten herzlichen «Molo» (Guten Morgen auf Xhosa; eine der gesamthaft elf offiziellen Landessprachen Südafrikas) beim Aussteigen aus dem Flugzeug in Port Elizabeth verflogen. Okay, vielleicht nicht ganz. Denn wenn man mit den Leuten rund um Port Elizabeth spricht, dann kann fast jeder eine Geschichte erzählen, die etwas mit Kriminalität zu tun hat. Glücklicherweise und auch dem grossen Vertrauen in unsere tollen südafrikanischen Partner geschuldet, durften wir nur die andere, die positive Seite Südafrikas kennenlernen: Die offene, die berührende und die unglaublich herzliche Seite.

Während zweieinhalb Monaten besuchten wir zusammen mit unseren KollegInnen der Nelson Mandela Universität verschiedenste Township-Schulen. Wir fuhren morgens hin, beobachteten Unterrichtseinheiten und arbeiteten am Nachmittag an unseren Lehrunterlagen, welche wir zusammen mit lokalen Experten jeweils diskutierten und revidierten.

Die morgendlichen Fahrten hinaus aus dem zivilisierten Port Elizabeth, hinein in die heruntergekommenen Randregionen der Stadt, fühlten sich mit jedem Tag besser an. Etwas veränderte sich in mir, nämlich meine Blickweise. Mein Auge lernte plötzlich sich nicht mehr nur auf die desolate Infrastruktur und die grossen Gitterzäune, welche die Schulen umgabe,n um diese von Bandenkriegen zu schützen, zu konzentrieren, sondern auf das Wesentliche – die Lebensfreude dieser Kinder und deren Begeisterung für die Bewegung. Eine universelle Eigenschaft, die gleichaltrige Kinder auf dieser Welt zu haben scheinen, egal in welchen Verhältnissen sie aufwachsen.

Weil die Gefahr von Schiessereien unter den verschiedenen Gangs zu gross ist , können diese Kinder nach der Schule zu Hause häufig nicht draussen spielen. Die Schule ist also der einzige Ort, an dem sie sich frei bewegen und etwas Energie los werden können, um dann in anderen Schulfächer sich umso besser konzentrieren zu können. Es fühlte sich gut an, jeden Tag in lachende Kindergesichter blicken zu dürfen und die Gastfreundschaft der Lehrpersonen zu spüren.

Heute ist das Lehrmittel mit über 250 Sportlektionen für die erste bis siebte Schulstufe fertiggestellt. Jede Lektion ist so angepasst, dass sie einerseits den südafrikanischen Lehrplan respektiert und andererseits auch durchgeführt werden kann, wenn nahezu kein Schulmaterial zur Verfügung steht. Nun soll dieses Lehrmittel implementiert werden, sodass möglichst viele Schulkinder in armen Regionen Südafrikas vermehrt von einer aktiven Lebensweise profitieren können.

Mittlerweile sind unsere Masterarbeiten geschrieben, der letzte Punkt gesetzt und die Arbeit eingereicht. Doch was bleibt, sind viel mehr als ein paar weisse Seiten mit Druckerschwärze: Es ist ein breiterer Horizont, das Verständnis einer neuen und interessanten südafrikanischen Kultur und bleibende Freundschaften, welche sich in unseren Herzen eingebrannt haben – und für mich persönlich ist das letzte Kapitel in dieser Geschichte noch nicht geschrieben…

Enkosi South Africa, Danke KaziBantu

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