Michelle Isler engagiert sich neben ihrem Religionswissenschafts- und Hispanistikstudium bei «gastschafftfreund». Die Idee des Vereins, Geflüchtete und Einheimischen für ein gemeinsames Essen nicht nur metaphorisch an einen Tisch zu bringen, sprach Michelle sofort an. Für ihren Gastbeitrag hat sie sich mit Ibrahim aus Syrien sowie Nino, Chantal, Fabienne und Martina aus Basel getroffen. Die fünf haben sich über «gastschafftfreund» kennengelernt.
Die Initiantin von «gastschafftfreund» Marta Casulleras arbeitet unter anderem als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und stellte immer wieder fest, dass sich für geflüchtete Menschen die Möglichkeit zum Kennenlernen der lokalen Bevölkerung nicht einfach so ergibt. Sie stiess auf die ursprünglich aus Schweden stammende Idee, über ein gemeinsames Essen genau das zu ermöglichen, und setzt diese nun zusammen mit ihrem fünfköpfigen Team seit 2015 auch in Basel um.
«gastschafftfreund» vermittelt telefonisch Kontakte zwischen Gästen und Gastgebenden. Wir möchten damit neue Begegnungen ermöglichen und Gelegenheiten schaffen. Es ist schon öfters vorgekommen, dass Gäste und Gastgebende nach dem ersten Treffen ihre Rollen getauscht haben oder dass sie miteinander auch später in Kontakt geblieben sind. Genau das ist ein weiteres Ziel: Im Idealfall bestehen die Kontakte ohne unser Zutun weiter. Bei einer erst kürzlich zustande gekommenen Vermittlung scheint sich ein solcher Fall abzuzeichnen. Für diesen Beitrag habe ich Nino, Chantal, Fabienne und Martina und ein paar Tage später auch ihren Gast Ibrahim getroffen und sie gebeten, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen.
«Dem Anderen ein Gesicht geben»
Ibrahim ist 26 Jahre alt und musste vor drei Jahren aus seiner Heimat Syrien fliehen. Seither ist er in der Schweiz. Er kennt nur wenig Schweizerinnen und Schweizer und möchte das gerne ändern. Zudem hofft er, sein Schweizerdeutsch durch solche Kontakte verbessern zu können. Seine Gastgeber sind alle 23 Jahre alt und laden Ibrahim in die WG von Nino zum Abendessen ein.
Die Gastgebenden haben sich spontan beim Projekt angemeldet, weil sie nicht über Geflüchtete, sondern lieber mit einer betroffenen Person sprechen, ihr «ein Gesicht geben» wollten. Solidarität sei für sie ein wichtiges Thema und Nino hat auch Freunde, die in Zürich an ähnlichen Projekten teilgenommen oder mitgearbeitet hätten. Das Treffen verläuft so gut, dass sich der gemeinsame Abend über das Essen hinaus verlängert und sie zusammen weiterziehen, etwas trinken und anschliessend tanzen gehen.
Sie sprechen im Verlauf des Abends viel über Ibrahims Geschichte, über seine vorherige Heimat und die Situation in Syrien und wie es ihm heute in der Schweiz geht. Auch ganz alltägliche Themen haben ihren Platz im Gespräch. «Es ist sehr schwierig für mich, Leute aus Basel kennen zu lernen. Ich bin zuvor noch nie bei Schweizern zuhause gewesen», berichtet Ibrahim. Zum ersten Mal lädt er ein paar Tage nach dem ersten Treffen seine Gastgeber auch zu sich ein und Chantal und Nino besuchen Ibrahim bei ihm zuhause.
Ich frage beide Seiten, ob sie etwas aus der Erfahrung lernen konnten. Es verblüfft mich fast ein bisschen, dass sowohl Nino und seine Kolleginnen als auch Ibrahim die Frage sehr ähnlich beantworten: Sie haben für einmal Kontakt zu einem Menschen gehabt, der zuvor nur als vage und stereotypisierte Vorstellung existierte. Somit haben sie alle überrascht festgestellt, wie viele Gemeinsamkeiten und Interessen sie teilen und dass sie im Grunde auch ganz ähnliche Probleme und Sorgen – wie zum Beispiel die berufliche Zukunft – verbinden.
Mitmachen!
Wir sind zurzeit auf der Suche nach Gastgebern. Wenn also dieser Beitrag deine Neugier geweckt hat und du auch einmal jemanden bei dir zuhause bekochen möchtest, kannst du dich hier anmelden. Auf unserer Webseite sowie auf Facebook finden sich zudem zahlreiche Erfahrungsberichte von Personen, die bereits teilgenommen haben. Viel Spass beim Stöbern und vielleicht bis bald am Telefon!