Das bedingungslose Grundeinkommen – Teil I
Geld bekommen fürs Nichtstun? Nein, eben nicht! Es geht um viel mehr als ums Faulenzen, Gammeln und Nichtstun.
Kürzlich, ich stand gerade am Bahnhof SBB an der Bushaltestelle und wartete auf den 30er, kam ein kleines Mädchen angerannt und meinte zu ihrem ebenfalls ziemlich kleinen Bruder: „Papi hat gesagt wir können zu Fuss nach Hause!“ Der kleine Bruder schaute ein bisschen skeptisch und fragte: „können wir oder müssen wir?“ „Wir können!“ meinte sie und ihr Bruder schaute auf einmal gar nicht mehr kritisch, sondern freute sich und die beiden rannten davon.
Diese kurze Szene hat viel zu tun mit dem bedingungslosen Grundeinkommen. Beim bedingungslosen Grundeinkommen (oder kurz BGE) geht es darum, dass jeder Mensch mindestens 2500 Franken im Monat erhält. Das heisst, er verdient sie entweder selber und wenn er sie nicht verdient, bekommt er sie – bedingungslos eben.
Das hat schon fast eine philosophische Komponente. Lohn kann man ja auf zwei Arten betrachten: Man kann es so sehen: Wir müssen arbeiten, um Geld zu bekommen. Man kann es aber auch so sehen: Wir brauchen Geld, um Arbeiten zu können. Also entweder man geht davon aus, dass man nicht arbeiten möchte, es aber doch tut, wegen dem Lohn. Oder man geht davon aus, dass man arbeiten will, und dafür Geld braucht, nur schon damit man während der Arbeit nicht verhungert. Doch, das macht einen riesigen Unterschied!
Solange man 6000 Franken monatlich verdient und glücklich ist mit seiner Arbeit, ändert sich mit dem BGE wenig, in dem Fall würde man vom Staat ja auch kein Geld bekommen. Die 2500 Franken würden aber dann weiterhelfen, wenn man sich neuorientieren will oder muss. Vielleicht möchte man sich selbstständig machen, ein Projekt starten, eine Weiterbildung in Angriff nehmen oder man ist gezwungen, einen neuen Job zu finden. Die 2500 Franken würden nicht unbedingt den Lohn auf lange Sicht ersetzten, sondern vor allem Freiraum schaffen und Starthilfe geben bei der Suche nach einer Aufgabe, die es wert ist, erfüllt zu werden.
Das würde sich natürlich auch auf uns Studierende auswirken. 2500 Franken monatlich sind ja viel Geld, wenn man davon bloss ein WG-Zimmer und nicht eine ganze Wohnung bezahlen muss. Es gäbe keinen Grund mehr, neben dem Studium sinnlose Jobs zu machen. Handkehrum gäbe es auch keine Ausrede mehr, wieso man nicht ganz genau das macht, was man will und was einen weiterbringt. Unbezahlte Praktika wären kein Problem, freiwillige Arbeit, Sprachaufenthalte oder extra Engagement in der Forschungsgruppe ebenso wenig. Eltern und Familienangehörige hätten es schwer, einem ein Studienfach auszureden oder sogar zu verbieten.
Worauf ich hinaus will: Die Sache mit dem „Geld kriegen fürs Nichtstun“ ist nur ein winzig kleiner Aspekt beim Thema Grundeinkommen. Die Frage, ob man wirklich den faulen Lenz machen könnte, wird irgendwie unwichtig beim Gedanken an die vielen neuen Möglichkeiten. Es geht um mehr als um 2500 Franken auf dem Konto, es geht um eine monumentale gesellschaftliche Veränderung. Darum, welchen Wert Arbeit in Zukunft haben soll und welche Qualität. Müssen oder können?
Wahrscheinlich wäre es grössenwahnsinnig zu behaupten, man könne alle Konsequenzen dieser Vorlage abschätzen. Besonders weil viele Detailfragen noch nicht geklärt sind. Angestellte der Economiesuisse haben ausgerechnet, dass das BIP um 17% fallen würde wenn die Initiative umgesetzt wird. Die Befürworter bleiben dabei, dass das bedingungslose Grundeinkommen bezahlbar sei und konzentrieren sich eher auf die Vorteile für das Individuum als aufs Bruttoinlandprodukt.
Eine Frage lässt sich mit volkswirtschaftlichen Modellen sowieso schlecht beantworten: Wie wir tatsächlich auf die neuen Freiheiten reagieren würden, wieviel Druck und Zwang wir brauchen, um produktiv zu sein. Was würdet ihr denn tun, mit 2500 Franken monatlich?
Mehr dazu am Mittwoch!
1 Kommentar
Sa, 8. Juni 2013 / 21:10 Uhr
Spannende Kommentare; toll, dass ihr euch mit dem BGE auseinandersetzt. Bitte nochmals den Text der Initianten lesen: Jedermann/frau erhält das BGE, auch wenn in Arbeit entlöhnt. Siehe grundeinkommen.ch. Bitte nicht vergessen: Volksinitiative unterschreiben und KollegInnen dazu werben.
Viel Erfolg im Studium!
Herzlich,
Peter Kessler, 79