First Responder – Leben retten in den beiden Basel

«17, 18, 19, 20…», zähle ich laut, während ich die Thoraxkompressionen durchführe. Das Leben der Frau hängt an einem seidenen Faden. Ein guter Freund kniet neben mir und kontrolliert die Qualität meiner Reanimationsmassnahme. Wir waren zufällig zusammen, als der Alarm auf unseren Handys eintraf. Es ist mein erster Einsatz als First Responder.

«5, 6, 7, 8…» beginne ich einen erneuten Kompressionszyklus. Aufgrund von Covid verzichten wir auf eine Beatmung. Ich höre Schritte auf der Treppe. Ein dritter First Responder kommt ins Badezimmer und bringt einen Defibrillator. Wir lauschen den Anweisungen des Gerätes. Ohne viele Worte kleben wir unter ständiger Thoraxkompression die Elektroden auf und warten auf die Analyse des Herzrhythmus. „Kein Schock empfohlen“, meldet das Gerät und so setzen wir die Reanimation weiter. Wieder öffnet sich die Haustüre und die Sanität trifft ein.

Das First-Responder-System beider Basel

Am 18. Oktober 2018 (Basel) und 05.11.2019 (Baselland) wurde das lang geplante First Responder System in den beiden Basel in die Tat umgesetzt. Seither leisten Laienersthelfer:innen und Menschen mit einer medizinischen Ausbildung freiwillig erste Hilfe, nachdem sie über eine App direkt von der Einsatzleitzentrale Basel aufgeboten wurden. Damit möchte man die Zeit bis zum Eintreffen der Sanität überbrücken, welche in der Stadt Basel durchschnittlich zehn Minuten beträgt.

Zehn Minuten hört sich nach wenig an. In zehn Minuten kann ich gemütlich einen Kaffee trinken, fünf Seiten in einem Buch lesen, oder aber die Überlebenschance eines Menschen durch rasches Einleiten von Erste Hilfe-Massnahmen merklich verbessern. Erleidet ein Mensch ausserhalb des Spitals einen Herzkreislaufstillstand, so verringert sich seine Überlebenschance um etwa zehn Prozent pro verstrichener Minute ohne Reanimationsmassnahmen. Seit Einführung des First-Responder-Systems konnte man die Chance, dass eine Patient*in nach einem Einsatz lebend dem Spital überbracht werden kann, von weniger als 12 Prozent auf 33 Prozent heben.

«Noch haben wir das Ziel von 50% nicht erreicht, aber wir sind auf einem guten Weg», erklärt mit Roger Ehrensperger von der Einsatzleitzentrale. «Aktuell sind etwa 1700 Personen in den beiden Basel als First Responder registriert. Es dürften jedoch noch etwas mehr sein. Bis Ende 2023 möchten wir 2500 erreichen», erzählt er mir weiter. «Covid hat uns den Zuwachs leider erschwert, da wir über eine lange Zeit keine Informationsveranstaltungen durchführen konnten.»

Registrieren können sich alle, die eine Basisausbildung (BLS-AED) in erster Hilfe absolviert haben und über ein entsprechendes Zertifikat verfügen. Nach Besuch der Informationsveranstaltung und Hochladen des Zertifikats im persönlichen Profil der First-Responder-App, wird man freigeschaltet. Ab diesem Moment kann man aufgeboten werden. «In der Regel gibt es zwei Szenarien, in welchen wir First Responder aufbieten: Herzstillstand oder Atemstillstand. Oder wenn eines der beiden vermutet wird», erklärt Roger Ehrensperger. Bisher wurden 333 Einsätze von First Respondern bestritten. Innerhalb von durchschnittlich 4 Minuten und 26 Sekunden befindet sich der/die erste First Responder vor Ort.

Hand in Hand

Mit Eintreffen der Sanität ist der Einsatz für mich jedoch noch nicht beendet. Nach einer Übergabe an den Notarzt helfe ich mit, wo ich kann: Ich bereite eine Infusion vor, bringe diese oder andere Kleinigkeiten in die Nähe, helfe mit zu überlegen, wie der Transport im engen Treppenhaus am besten zu bewerkstelligen ist und löse immer wieder bei der Reanimation ab.

Die Stimmung ist ruhig, alle arbeiten Hand in Hand. Kurz bevor die Patientin für den Transport ins Universitätsspital bereit ist,  erreichen wir einen sogenannten „ROSC“ (Return To Spontaneous Circulation) – die Reanimation war erfolgreich und das Herz der Patientin hat seine Aufgabe also wieder aufgenommen. Mittlerweile wurde die Patientin eingeladen und befindet sich auf dem Weg ins Spital.

Auch ich trete nach draussen und atme zuerst einmal tief durch. Ich bin verschwitzt und fühle mich müde nach dieser adrenalingeladenen Erfahrung. Wir tauschen uns noch kurz mit einem anwesenden Polizisten aus und treten dann den Heimweg an. Am nächsten Tag erhalte ich einen Anruf vom First-Responder-System. Die Frau am Telefon erkundigt sich nach meinem Befinden und ob meinerseits noch offene Fragen bestehen. Diesen Anruf erhält man nach jedem absolvierten Einsatz.

Seit dieser ersten Erfahrung habe ich einen weiteren Einsatz bestritten und als werdende Ärztin ist mir bewusst, dass ich nicht zum letzten Mal reanimiert habe. Und doch ist es mir ein grosses Anliegen, diese Erlebnisse nicht nur als erfolgreiche oder vergebliche Reanimationen in Erinnerung zu behalten. Ich möchte auch immer an den betroffenen Menschen denken, in dessen Leben ich für einen kurzen Augenblick treten durfte und dessen Leben in diesem Moment in unseren Händen lag.

Und du?

Wenn du mehr über das First-Responder-System beider Basel erfahren oder dich als First Responder registrieren möchtest, so kannst du dies hier tun. Wenn du bereits registriert bist und in der ganzen Schweiz Alarme erhalten möchtest, so kannst du hier die entsprechende App (IOs/Android) herunterladen und dich mit dem selben Login einloggen wie bei der BS/BL-App.

Núria Zellweger

Wenn sich Núria nicht gerade mit Medizin oder klinischer Forschung beschäftigt, ist sie sehr gerne unter Freund*innen, mit dem Touren- oder Rennrad unterwegs oder übt sich an neuen Arien. An freien Tagen zieht es sie in die Berge oder für einen gemütlichen Kaffee in die Stadt. Auch ausgedehnte Kochabende mit Freund*innen, Musik und ein gutes Buch vermögen ihren Serotoninspiegel zu steigern.

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