Seit einem Jahr gilt in Basel-Stadt ein Mindestlohn von 21.45 Franken pro Stunde. Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht, erklärt, was es mit dem Mindestlohn auf sich hat, für wen dieser nicht gilt und was ihr tun könnt, wenn ihr mehr Lohn einfordern wollt.
Das Basler Stimmvolk hat im Sommer 2021 entschieden, dass künftig ein Mindestlohn von 21.45 Franken pro Stunde gilt. Dabei handelt es sich um den Gegenvorschlag von Regierungsrat und Parlament zur Initiative «Kein Lohn unter 23.-». Ziel der Anpassung ist es, dass der Mindestlohn bei einem 100-Prozent-Pensum zum Leben reicht.
Was bedeutet das für Studierende, die einen Nebenjob oder ein Praktikum suchen? Das habe ich Professor Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht an der Uni Basel, gefragt. Er erklärt mir, dass rechtlich gesehen Mindestlöhne erlaubt sind, wenn sie sozialpolitische Ziele verfolgen. Beim Basler Mindestlohn handelt es sich um eine kantonale Änderung und bezieht sich ausschliesslich auf Berufstätigkeiten im Kanton Basel-Stadt, er gilt also nicht für die Nachbarskantone. Nach der Rechtsprechung ist der Ort, an dem die tatsächliche Arbeit geleistet wird, relevant – unabhängig davon, was im Arbeitsvertrag steht (vgl. für genauere Erläuterungen zum territorialen Geltungsbereich: Erläuterungen zur MiLoV 2. §2).
Rechtlicher Überblick
Für viele stellt sich jetzt sicher die Frage: «Bin ich betroffen?». Das muss einzeln beantwortet werden. Viele Studierendenjobs sind auf Stundenlohn ausgerichtet und orientieren sich bei der Stundensatzhöhe am aktuellen Bildungsstand. So ist es gut möglich, dass viele von uns bereits über diesem Mindestlohn ausbezahlt werden. Pärli erklärt mir, dass dieses Gesetz vor allem diejenigen schützen soll, die keine Ausbildung vorweisen können oder in einem längeren Praktikum angestellt sind. «Sozialpolitisch wird das Ziel verfolgt, einen Mindeststandart im Kanton zu schaffen und so längerfristig vor Ausbeutung der Arbeitskraft und Armut zu schützen» so Pärli.
Aus dem Gesetz und der Verordnung kommt hervor, dass sich die Regelung auf eine Erwerbstätigkeit bezieht, die der AHV-Beitragspflicht unterliegt. Das heisst: Ihr müsst mindestens 2`300 Franken pro Jahr verdienen, um Ansprüche aus diesem Gesetz geltend machen zu können. Für Leute, die sich im Privathaushalt, bei Medien oder in der Kunst betätigen, sind spezielle Regelungen vorgesehen, die hier unter 2. § 1 der Erläuterungen zur MiLoV nachzulesen sind.
Auch Praktika werden geschützt unter dem Mindestlohngesetz (MiLoG). Allerdings erst, wenn das Praktikum mindestens sechs Monate dauert. «Wichtig ist zu wissen, ob die Tätigkeit unter den Begriff eines Praktikums fällt oder bereits als eigentliche Berufsausübung zu verstehen ist. Dann wäre nämlich auch bei einer kürzeren Dauer bereits der Mindestlohn umzusetzen», erklärt Pärli. «Das ist anhand der vertraglichen Umschreibung festzustellen. Ein Praktikum dient einem Ausbildungszweck und muss entsprechend die Ausbildungsziele und -Bereiche umschreiben. Es muss auch eine Betreuung gegeben sein», so der Professor.
Damit Praktika, die im Rahmen einer Lehre, Schule, Hochschule oder Weiterbildung unter die Ausnahme (vgl. § 2 MiLoG) fallen und damit nicht dem Mindestlohn entsprechen müssen, muss aus dem Ausbildungsplan erkennbar sein, dass ohne ein solches Praktikum kein Abschluss erlangt werden kann. Damit fallen juristische Volontariate, ohne die kein Anwaltspatent erworben werden kann und die länger als sechs Monate dauern, nicht unter den Mindestlohn, da sie als Branchenpraktikum mit vorgegebenen Ausbildungs-Curriculum verstanden werden.
Alle anderen Praktika, die nicht explizit fester Bestandteil einer Ausbildung sind, können nur bis maximal sechs Monaten unter dem Mindestlohn bezahlt werden und darüberhinausgehende Praktika sind mit dem Mindestlohn zu vergüten (vgl. Erläuterungen zur MiLoV 2. § 3).
Unterliegen Arbeitnehmer*innen einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV), dann kommt es darauf an wie dieser ausgestaltet wurde. Wenn es sich um einen allgemeinverbindlich erklärten GAV handelt, dann muss das Mindestlohngesetz nicht eingehalten werden. Grund dafür ist, dass solche Verträge durch den Bundesrat oder Regierungsrat geschehen und somit umfassend überprüft werden auf den Schutz der Arbeitnehmer*innen. Wenn aber ein GAV nicht allgemeinverbindlich ist, dann unterliegen die Arbeitgeber*innen dem MiLoG. Ausgenommen vom MiLoG sind auch sogenannte Normalarbeitsverträge (NAV) mit Mindestlöhnen (§ 2 Abs. 2 lit. h MiLoG).
Genaueres zu weiteren Fragen, wie etwa zu Zuschlägen, Pikettdiensten oder ähnliches, sind hier abrufbar.
Wie kann ich mich wehren?
Wenn du festgestellst, dass du Anspruch auf mehr Lohn hast, solltest du in erster Linie das Gespräch mit deiner vorgesetzten Person zu suchen. Angst vor einer Kündigung musst du nicht haben, weil solch eine Entlassung eine sogenannte Rachekündigung wäre und damit missbräuchlich. Es gibt auch unentgeltliche Rechtsauskunftstellen durch den Anwaltsverband, Gewerkschaften oder auch das Amt für Arbeit und Wirtschaft (AWA).