Hexenverfolgungen, Sex und Sitte im historischen Basel, 50 Jahre Frauenstimmrecht: Der studentische Verein Frauenstadtrundgang Basel bietet Interessierten spannende Stadttouren aus ungewohnten Perspektiven. Letzten Samstag fand die Premiere des neuen Stadtrundgangs «Basel ’68» statt und der Beast-Blog war live dabei! Wie ich mich im ‚Sex, Drugs and Rock’n’Roll‘-Dschungel zurechtfand und wieso ich den Tinguely-Brunnen nun mit anderen Augen sehe, lest ihr hier:
Der Verein Frauenstadtrundgang Basel ist im Jahr 1989 aus einem Seminar am Departement Geschichte an der Universität Basel hervorgegangen. Seither bemühen sich die bis vor einem Jahr ausschliesslich weiblichen Mitglieder, zeitgenössische Themen aus der Frauen- und Geschlechterforschung in Verbindung zur Stadt Basel zu setzen und dem Publikum auf lustige, lässige Weise näher zu bringen. Für seine Arbeit wurde der Verein auch schon unter anderem mit dem Chancengleichheitspreis beider Basel ausgezeichnet, die Mühe lohnt sich also.
Das Erfolgsrezept
In der Praxis sieht es dann folgendermassen aus: Motivierte Studierende sowie Forschende durchforsten staubige Quellen, besorgen sich wirklichkeitsgetreue Requisiten, schreiben ein schelmisches Manual, absolvieren ein Sprechtraining und üben den Rundgang vereinsintern. Ein riesiger Aufwand wird betrieben, um uns Unwissende mit viel pikanter Expertise die Augen für kleine Feinheiten der Stadt Basel und ihrer Geschichte zu öffnen. Nach nur einem Stadtrundgang wird man nicht mehr ignorant durch die Stadt streunen können, ohne dass ab und zu sich die Gänsehaut über beide Arme breit macht, da man weiss, dass vor vielen Jahren genau an jener Stelle ein Fackellauf für das Stimmrecht der Frauen die Nacht erhellte. Man tritt buchstäblich in die Fussstapfen der früheren Generationen und dies erfüllt einen mit Ehrfurcht.
Laufen und publizieren
Seit der Gründung standen bereits 40 verschiedene Stadtrundgänge auf dem Programm, beispielsweise: ‚Hexenwerk und Teufelspakt‘, ‚Ein Blick durchs Schlüsselloch‘ und ‚Brennpunkt St. Johann‘. Doch Stadtrundgänge sind nicht genug! Die angeeigneten Erkenntnisse werden zusätzlich auch noch in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht. Das neuste Projekt: BASEL ’68, ‚Sex, Drugs and Rock’n’Roll‘ feierte letztes Wochenende Premiere. Hier mein kurzer Bericht über das kurze Aufleben der revolutionären Blumen- und Lederjackenzeit:
«S Wunder vo Basel»
Treffpunkt: Bei der alten Universität, ziemlich passend. Geschätzt 60 Personen zog es an diesem sonnigen Samstag zu dem kleinen, mit Pflastersteinen ausgekleideten Platz, um in wilden Zeiten zu schwelgen. In Gruppen aufgeteilt wurde man gestaffelt losgeschickt.
Unsere beiden Stadtführerinnen, Eleonora und Linda, brachen bereits nach dem ersten Satz in schallendes Lachen aus. Kein unsicheres, verlegenes Lachen, sondern mehr ein sich am Event erfreuendes, Endlich-ist-es-soweit Gelächter, welche jegliche Anspannung, die mit Menschenmassen einhergeht, in Luft aufgehen liess. Ja, da höre ich gerne zu.
Die Martinskirche, wo alljährlich der Dies Academicus gefeiert wird, war unser erstes Etappenziel. Hier erzählten die beiden sympathischen Frauen von der revolutionären Haltung der Basler Studierenden im Jahre ’68, wo die Welt durch die neue, linke Bewegung ins Rollen kam. Doch das darf man sich nicht als Frontalunterricht vorstellen, sondern als kleines Theater. Mützen, Brillen und Schals werden aufgesetzt und Rollen inklusive Dialekt werden angenommen, um den Rundgang möglichst realitätsnah zu gestalten. Plötzlich steht da ein Student und ein universitärer Assistent vor mir, beim Rümelinsplatz dann ein italienisches Ehepaar und die beiden scheuten auch nicht die Mühe, einen selbstgebastelten, portablen Fernsehrahmen mitzuschleppen, um beim Rathaus Fernsehnachrichten in schwarz-weiss zu senden.
Bilder aus dem Jahre ’68 von Demonstrationen, der Vermarktung der kulinarischen Neuheit Spaghetti und von adoleszenten Beatles-Klonen sowie Rockmusik von den Schweizer Bands ‚The Sevens‘ und ‚The Dynamites‘ durften auch nicht fehlen. Völlig verblüfft war ich, als Eleanora dann locker aus der Hüfte im breitesten Baslerdeutsch Schnitzelbängg aus dem Jahre 1968 zitierte. Saggstark!
Wissen ist Macht
Fun Fact: Dort, wo heute der Tinguely-Brunnen steht, protzte früher das alte Stadttheater Basel. Jean Tinguely baute aus Teilen des alten Theaters die heutigen Maschinenskulpturen. Da er aber kein grosser Freund des neuen Stadttheaters war, baute er eine Skulptur aus einer Muse zusammen, die nun seit Jahren konstant Wasser in Richtung des neuen Stadttheaters spuckt. Rache ist süss.
Das nächste Mal, wenn du vielleicht deinen McFlurry am Brunnen geniesst, kannst du ja einmal versuchen, die Muse ausfindig zu machen. Ich verrate dir auch gleich, dass sich im Gebäude, wo du deinen McFlurry gekauft hast, sich Historisches abgespielt hat; genauso wie an vielen weiteren, bekannten Orten in der Stadt. Wenn du mehr darüber wissen willst, empfehle ich dir einmal an einem Stadtrundgang teilzunehmen. Begebe dich auf eine kleine Zeitreise und lasse dich inspirieren. So wird Basel noch mehr zu einem Zuhause.