Ein Semester in Kapstadt – Was für viele traumhaft klingt und meist auch nur ein Traum bleibt, ist für die Studierenden des neuen Masters «Critical Urbanisms» ein wichtiger Bestandteil ihres Studiums. Florence Siegenthaler ist eine der ersten Studierenden, die in die südafrikanische Hafenstadt aufbrechen, um dort Feldforschung auf dem afrikanischen Kontinent zu betreiben. In der ersten Folge ihrer Gastbeitragsserie beschreibt sie die Vorbereitungen auf das Semester am Kap der Guten Hoffnung:
Acht Menschen aus unterschiedlichsten Forschungsrichtungen und Ländern – Ein ganzes Semester lang haben wir nun bereits im neuen Studiengang «Critical Urbanisms» gemeinsam gelernt, gelacht und gekämpft und uns dabei so gefühlt wie die älteren Geschwister einer Familie, die den jüngeren den Weg pfaden (Randnotiz: Es könnte sich echt lohnen, zur nächsten Generation «Critical Urbanists» zu gehören).
Und so wunderbar unterschiedlich wir Möchtegern-Pioniere auch sind, eines haben wir momentan definitiv gemeinsam: Die Aufregung über das kommende Semester im südafrikanischen Kapstadt. Das ist dort, wo gerade, und irgendwie immer, Sommer ist, die Pinguine am Strand chillen und der warme Indische Ozean den kalten Atlantik küsst. So wollen es mir zumindest die Reiseführer weismachen, denn dort war ich noch nie.
In einigen Tagen geht es los und die letzten Tagen sind wir gefangen: Zwischen Auslandssemester-Romantik und einem Berg an administrativen Dingen, die es noch zu erledigen gilt. Zwischen dem Alltag hier und dem Ort, der jetzt noch Fiktion unserer Fantasie ist. Und zwischen dem Wunsch, nicht naiv an die Sache ranzugehen und gleichzeitig auch nicht gleich den Teufel an die Wand zu malen.
Letzteres passiert besonders schnell, wenn man sich im studiengangeigenen Gruppenchat mit Medienmeldungen aus Südafrika hochschaukelt, und noch schneller, wenn man in der Blase der Sicherheit und Reibungslosigkeit aufgewachsen ist, die sich Schweiz nennt.
Eine Dürre herrscht da unten, hören wir. «Ist Kapstadt die erste Grossstadt, der komplett das Wasser ausgeht?», fragen die Medien. Am 22. April soll es so weit sein, dann gibt’s für alle nur noch an 200 Verteilstationen Wasser. Bis dann sind fünfundzwanzig bis fünfzig Liter am Tag erlaubt. Welch Ironie, dass dieses Thema unter anderem bestens in den Rahmen unseres Studienprogramms hineinpasst, ein Selbstversuch und Anwendungsbeispiel in einem, sozusagen. Und möglicherweise auch gleich die wichtigste Lektion des ganzen Studiums.
Zwischen Kreditkarten bestellen, Geld einzahlen, Wohnung organisieren, noch mehr Geld einzahlen und Visum beantragen habe ich nun also auch angefangen (voller Schamgefühl ob meiner bisher praktizierten Verschwendungskultur), Wasser zu sparen. Zu Übungszwecken, aber auch, weil wir das sowieso immer tun sollten. Mittlerweile ziehe ich daher einen Kurzhaarschnitt sehr stark in Betracht und habe ausserdem starkes Deo (das aus der doofen Werbung), nicht-fettende Sonnencreme und Trocken-Shampoo bereitgelegt.
Nur das Visum lässt auf sich warten. Dabei wurde mein unorganisiertes Naturell beim Zusammenstellen des Antragsdossiers wahrlich herausgefordert: Passfotos, Bankauszüge, südafrikanische Krankenversicherung, Wohnadresse vor Ort, Auszüge vom E-Mail-Verkehr mit meinen zukünftigen Mitbewohnern und deren IDs, Stipendien-Einschreibungsbestätigung, Flugtickets. Ach ja und erst beim dritten Anruf hat die Dame auf der Botschaft nicht mehr einfach aufgehängt, sondern mir den nächstmöglichen Termin eineinhalb Monate später eingetragen.
Ich versuche nun, nicht nervös zu werden, schreibe Packlisten wie eine Wahnsinnige und habe beinahe täglich mit meinem zukünftigen WG-Mitbewohner (kennengelernt auf einer Facebook-Gruppe für Wohnungssuchende) Kontakt. Er ist mein Anker in dieser wilden See der Vorbereitungszeit, genauso wie auch Sophie, unsere Dozentin. Die erwartet uns dort bereits voller Freude und hat alle sogleich für den 27-for-Freedom-Run angemeldet: 27 km, je einen für Nelson Mandelas Gefängnisjahre. Frei nach dem Motto: Wenn wir schon Wasser sparen, dann sollten wir uns wenigstens nass schwitzen.
Der Countdown zum Startschuss läuft.
Mehr über den Master-Studiengang «Critical Urbanisms» erfährst du hier.