Parallelwelten und Biotope unserer Gesellschaft
Während der Basel World ist sie offensichtlich: die Welt der Reichen. Doch auch im restlichen Jahr ist sie nicht weniger präsent. Gibt es also eine Parallelwelt in Basel? Nicht nur eine, wie Ueli Mäder, Soziologieprofessor an der Uni Basel, meint.
Sein Vortrag „Parallelwelten in Basel-Stadt: Wie durchlässig sind sie?“ veranlasste mich dazu, in ein Thema einzutauchen, mit welchem ich mich bis anhin kaum beschäftigte.
Biotope der Mittelschicht
Alex Capus, ein Oltner Schriftsteller, beschreibt in seinem neuen Buch „Mein Nachbar Urs“ eine interessante Szene: der Bahnhof Olten morgens um sieben. Die Banker fahren nach Zürich, die von der chemischen Industrie fahren nach Basel, die Bundesbeamten nach Bern und die Sozialarbeiter nach Solothurn. Man sähe das den Einzelnen schon in der Unterführung an, welche zwar noch bunt durchmischt sei, aber doch jeder so gekleidet, damit er in sein Biotop hineinpasse, so Capus. Dass unsere „Mittelschicht“ also eher aus einem Kollektiv an festgezurrten Parallelwelten und Klassenformationen bestehe als einer homogenen Gesellschaft, ist auch die erste These Mäders, mit welcher er sein Publikum konfrontiert.
Der „Daig“
Doch während diese Biotope eher kleine, sich überschneidende Parallelwelten sind, gibt es andere, von der „Mittelschicht“ stärker abgegrenzte. Wem die Namen Vischer, Sarasin und Merian etwas sagen, weiss, wovon die Rede ist: dem „Daig“, die alteingesessene Basler Oberschicht. „Me gitt, aber me sait nyt“ beschreibt ihre Devise, Basel mit Investitionen zu unterstützen, sich damit aber nicht zu brüsten. Dass auch sie gerne in ihrer Welt leben, zeigen nicht nur die meist nur durch Initialen beschrifteten Briefkästen und Türklingeln.
Liebe und böse Reiche
„Gleich und Gleich gesellt sich gern“, lautet eine Redewendung – dass das auch für viele Reiche gilt, zeigt das Beispiel „Club de Bâle“, für dessen Mitgliedschaft im Wert eines Jahresbeitrags von 12000 Franken man sich unter Gleichgesinnten wohlfühlen darf. Die Reichen in Basel, also als „Böse“, die sich in ihre eigene, parastaatliche Welt zurückziehen? Nicht ganz. Dass diese Verallgemeinerung so nicht stimmt, erörtert ein aktueller Artikel im „Das Magazin“, der Beilage der Basler Zeitung.
Zurück ins Studenten-Biotop
Wie durchsichtig und -lässig diese Parallelwelten wirklich sind, lässt sich nicht abschliessend sagen. Dass sie aber Einfluss auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft haben, liegt auf der Hand – und spitzt sich am Beispiel WEF wohl ins Extreme zu. Die zwei Stunden Vortrag von Mäder boten einen kurzen Einblick in ein Thema, dass umfangreicher, aber auch spannender nicht sein könnte. Dass Reichtum, soziale Ungleichheit sowie aktuelle Themen wie Mindestlohn und Wagenplatz ein grosser Bestandteil davon sind und die Gemüter momentan sehr beschäftigen, daran liess die anschliessende offene Diskussionsrunde keine Zweifel übrig. Mit vielen Inputs und noch mehr Fragen verliess ich diesen Vortrag, und kehrte zurück in mein Studenten-Biotop.