Mit dem Abschluss meines dritten Semesters geht für mich auch der Präparierkurs zu Ende. Ein Bericht aus dem Anatomischen Institut, dem Ort „wo der Tod sich freut, dem Leben zu dienen“.
Dieses Semester verbrachten wir jeweils zwei Nachmittage pro Woche im Präpariersaal und haben dort viele Dinge gesehen und gelernt, die uns kein Atlas oder Lehrbuch besser hätte zeigen können. Jeweils zehn Studierende präparieren ein Semester lang am gleichen Leichnam und versuchen mit dem Skalpell alle Strukturen (Nerven, Arterien, Venen, Organe…) so darzustellen, wie es die Anleitung vorgibt.
Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie wir am ersten Nachmittag alle ehrfürchtig rund um dem Körper der alten Dame standen, an der wir nun ein Semester lang lernen sollten. Die Haut weiss, fest und ledrig, der Körper kalt und steif. Grosse Schnitte in der Leistengegend zeugen davon, dass sie vor einigen Monaten oder Jahren direkt nach ihrem Tod mit Formalin durchgespült wurde. So wurde alles Blut entfernt und der Verwesungsprozess gestoppt. Die ersten Schnitte fielen uns allen schwer, doch bald überwog die Neugier, den menschlichen Körper besser kennenzulernen.
Die Nachmittage im Präpariersaal vergingen schnell. Man gewöhnt sich an die Arbeit und es herrschte eine ganz besondere Athmosphäre in diesem grossen, hohen, kühlen und hellen Raum. Der präpariersaaltypische Geruch von Formalin in der Luft, der mir und einigen anderen Studenten immer mal wieder Tränen in die Augen treibt und die Nase zum Laufen bringt.
Oft erinnerte mich das Treiben an den Zeichenunterricht im Gymnasium: Alle beschäftigt und trotzdem findet man zwischendurch Zeit, sich mit seinen Mitstudenten über die aktuelle Arbeit, den Stoff oder andere Dinge zu unterhalten. Immer im Kurs dabei sind Präparatoren, Dozenten und Studierende höherer Semester, die uns vieles erklären und uns abfragen. Das ist auch gut so, denn die Anatomie ist ein sehr umfangreiches Gebiet und es lohnt sich, früh mit Lernen zu beginnen. Unvorbereitet in den Präpkurs zu gehen ist ein No-Go: Einfach mal drauflos schneiden ist keine gute Idee und ohne jegliche Ahnung, wonach man sucht, oder was man da gerade in der Hand hält, profitiert und lernt man nicht viel.
Das Präparieren erfordert Konzentration und Ausdauer, denn die Suche nach haardünnen Nerven in Fettgewebe gestaltet sich nicht immer ganz einfach. Ich bin nun noch mehr beeindruckt von der Arbeit, die Chirurgen und Ärzte tagtäglich im OP leisten.
Zum Ende des Semesters haben wir gemeinsam mit den Angehörigen der Körperspender in der Peterskirche einen Gedenkgottesdienst gefeiert. Einige meiner MitstudentInnen haben zusammen als „Anatomie-Chor“ diesen Gottesdienst mitgestaltet.
Ich sehe es als grosses Privileg, dass ich den menschlichen Körper so genau kennenlernen durfte.
Mehr zum Studium der Humanmedizin an der Universität Basel findet ihr hier.
1 Kommentar
Fr, 20. Dezember 2013 / 11:59 Uhr
Super Artikel! Habe schon lange darauf gewartet! :-)
Liebgruss Benjamin