Ab nächsten Semester studiert Clara an der Universität Basel Soziologie und Geographie. Wir vom Beast-Blog heissen sie schon jetzt an unserer Uni willkommen und spannen sie gleich ein: In ihrem Gastbeitrag stellt Clara das Naturschutzprojekt «Dracula Forest Reserve» des Botanischen Gartens vor.
Orchideen, die an der Unterseite von Blättern wachsen. Nebel, der so dicht wird, dass man die Strassenkurven nicht sieht. Papageien, die wiederauferstehen, nachdem sie als ausgestorben galten. Wo sind wir hier? Im ecuadorianischen Regenwald, in dessen nördlichstem Stück die Uni Basel 365 Hektar Land gekauft hat.
Der Kauf ist Teil des Naturschutzprojektes «Dracula Forest Reserve», das der Botanische Garten ins Leben rief. Sein Name kommt von den seltenen Dracula-Orchideen. Sie wachsen bevorzugt in den Nebelwäldern der Anden, und auch im nördlichen Ecuador. Ihre Blütenblätter laufen an den Enden spitz zu und erinnern ein wenig an Drachenflügel.
Bedroht werden die Pflanzen in der Region des Reservats durch Siedlungen, die längs einer neuen Verbindungsstrasse entstehen. Erschreckend schnell kriechen Häuser und Äcker in bisher unberührten Wald hinein. Nach zwei Jahren ist kultivierter Boden unfruchtbar und neue Flächen werden abgeholzt.
Für Schweizer Institutionen ist das Problem der Zersiedelung natürlich nichts Neues. Hier, wo Skilifte und Bergbeizen schon längst in die entlegensten Alpenregiönchen vorgedrungen sind, wäre es wohl schwierig, ein neues Naturschutzgebiet von bedeutsamer Grösse zu schaffen. Der Botanische Garten investiert seine Einnahmen aus den Titanwurz-Spektakeln daher in fernab liegende Landstriche.
In Ecuador konnte die lokale Naturschutzorganisation Ecominga als Projektpartnerin gefunden und das Dracula Forest Reserve realisiert werden. Für Javier Robayo, den ursprünglich aus Quito stammenden Orchideengärtner des Botanischen Gartens geht so ein Traum in Erfüllung.
Es wurden einige Ranger engagiert, die in vier gekauften Waldstücken die Menschen vom Jagen und Holzschlagen abhalten. So ähnlich, wie wenn hier Securitas den Eingang von vier Coopfilialen versperren und mitteilen würden, die Läden seien neuerdings Museen, man dürfe nichts mehr einkaufen.
Wie sich die Menschen versorgen sollen, die nun einmal bereits an der neuen Strasse leben, bleibt ungelöst. Projektleiter Heinz Schneider sieht im Ökotourismus eine mögliche Einnahmequelle. Auf jeden Fall muss eine Antwort gefunden werden, besonders wo Aussicht besteht, das Schutzgebiet noch zu vergrössern. Damit wären die Menschen dann von allen Seiten eingemauert: gegen Süden, Westen und Osten durch einen Waldkorridor, gegen Norden durch die kolumbianische Grenze, hinter der die Coca-Plantagen und Guerillakonflikte beginnen.
An die Umwelt wäre ein zusammenhängendes Schutzgebiet allerdings ein schönes Geschenk. Realisierbar scheint diese Ausweitung erst, seit unerwartete Kunde von einem bereits bestehenden Naturschutzgebiet kam. “La Esperanza”, so hatten die Besitzer, fünf Privatpersonen, es getauft. In der bestens abgekarteten und durchverwalteten Schweiz wäre eine solche Überraschung wohl undenkbar.
In Ecuador hingegen gab sie den Projektmitarbeitenden Hoffnung, durch geschickten Zusammenkauf von Waldstücken, erstens La Esperanza, zweitens das Dracula Forest Reserve, drittens ein weiteres, schon bestehendes Naturschutzgebiet, und viertens ein Indianer-Reservat, in dem die Menschen noch immer in traditioneller Umweltverträglichkeit leben, miteinander zu verbinden. Wenn sich die zur Finanzierung benötigten Spendengelder einfänden, liesse sich dieses schöne Puzzle legen.