Der Fastenmonat Ramadan bedeutet für gläubige Muslime auf der ganzen Welt den Verzicht auf Nahrung und Wasser für einen Grossteil des Tages. Was aber, wenn diese Zeit der Einschränkung genau auf die Prüfungsphase fällt? Was bedeutet diese doppelte Belastung für betroffene Studierende? Diesen und anderen Fragen bin ich im Gespräch mit Editë, Psychologiestudentin und Muslimin, auf die Spur gegangen.
Was ist Ramadan?
Ramadan ist die Fastenzeit bei den Muslimen, welche 30 Tage dauert. Sie findet einmal im Jahr statt. Dieses Jahr wird sie am 6. Mai, an einem Sonntag, anfangen. Nach der Fastenzeit feiert man ein dreitägiges Fest, zu welchem mit Freunden und Verwandten der Abschluss des Ramadans gefeiert wird. Dann wird viel gegessen und in den drei Tagen quasi für den vorausgegangenen Verzicht kompensiert. In der Fastenzeit selbst darf man zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang weder essen noch trinken.
Wieso der 6. Mai?
Das ist vom Mond abhängig. Wie genau, das müsste ich selbst nachschauen. Der Beginn des Ramadans ist jedes Jahr früher. Jährlich verschiebt er sich um ungefähr 10 Tage zum Jahresbeginn hin. Nächstes Jahr wäre der Beginn des Ramadans dann im April.
Das heisst, irgendwann ist Ramadan dann wieder im Dezember?
Genau, und das hat zum Vorteil, dass die reine Sonnenzeit viel kürzer ist. Das heisst, man kann früher, zum Beispiel schon um 18:00 Uhr, das Fasten brechen. (lacht)
Und worauf wird beim Fasten verzichtet?
Auf Essen und Trinken, aber zum Beispiel ist in dieser Zeit auch das Spritzen von Medikamenten oder Impfstoffen tabu.
Gibt es Ausnahmen?
Genau. Ausgeschlossen vom Fasten sind alte Leute, Schwangere, Kinder und solche, die einer schweren körperlichen Arbeit nachgehen. Eine Frau, die gerade ihre Menstruation hat, darf auch nicht fasten. Sie muss das Fasten dann nachholen.
Das ist ja dann auch ein bisschen Definitionssache. Wer richtet darüber, ob jemand zum Beispiel schwer körperlich arbeitet?
Gar niemand. Das ist so im Koran festgelegt und das muss schlussendlich jeder für sich selbst entscheiden.
Wer verzichtet typischerweise auf das Fasten, weil er hart arbeitet?
Es ist so: Diejenigen, die voller Überzeugung die Religion ausleben, können noch so schwer arbeiten, sie Fasten trotzdem. Und solche, die nur oberflächlich an der Fastenzeit teilnehmen, die verraten sich schnell, weil sie jedes Schlupfloch und jede Ausrede nutzen, um das eigene Fasten zu brechen. Wer aber wirklich aus Überzeugung fastet, der zieht das auch durch. Und eben: Kranke oder Frauen, welche gerade ihre Menstruation haben, können die Tage, an denen sie nicht in der Lage waren zu fasten, nachholen. Diese Tage werden dann einfach am Ende der Fastenzeit, nach den drei Festtagen, angehängt.
In welchem Alter fängt man denn an zu fasten?
Ich habe das Fasten als Kind immer so cool gefunden. Vor allem, wenn wir im Kosovo in den Ferien waren, da hat einfach jeder gefastet. Ich war in unserem Familienkreis eine der jüngsten und wollte unbedingt auch mitfasten. Allerdings war es mir als kleines Mädchen noch verboten. Ab 11, 12 Jahren habe ich das erste Mal einzelne Tage mitgefastet. Vielleicht so ab der Pubertät kann man dann anfangen länger zu fasten. Ich habe dann eine Zeit lang gar nicht mehr gefastet. Ramadan fand dann oft in meinen Prüfungszeiten statt und ich musste für den Schulweg viel Radfahren. Das ist nicht megaanstrengend, aber gerade das Nicht-Trinken macht sich schon bemerkbar. Es wäre zum Beispiel auch denkbar gewesen, dass ich dann auf dem Velo ohnmächtig werde. Letztes Jahr habe ich es dann aber wieder ganz durchgezogen und habe auch dieses Jahr wieder vor 30 Tage zu fasten.
Die Fastenzeit lag letztes Jahr ziemlich genau in deiner Prüfungsphase. Wie war das?
Viel besser als ich erwartet hätte. Da bin ich wirklich ganz ehrlich. Es war genau in der Prüfungsphase und es ist mir trotzdem gelungen am Morgen früh aufzustehen, in die Bibliothek zu gehen, zu lernen und ich konnte mich auch wirklich konzentrieren. Ich hatte mir auch von Anfang an gesagt, dass ich das Fasten abbreche, wenn ich merke, dass ich mich nicht konzentrieren kann und unaufmerksam bin. Für mich war klar, die Uni hat Priorität, aber es ist überraschend gut gegangen – vor allem ohne Wasser. Dieses Jahr bin ich gespannt, ob es wieder so gut läuft.
Wie war deine Routine in der Prüfungsphase?
Ich habe meistens um 12 Uhr nachts zum letzten Mal gegessen, bin dann schlafen gegangen und um 9:00 Uhr am Morgen aufgestanden, um in die Bibliothek zu gehen. In der Bibliothek habe ich es dann auch wirklich bis zum späten Nachmittag gut ausgehalten und war aufnahmefähig. Ausserdem habe ich in dieser Zeit bewusst auf mässige Bewegung geachtet.
Hattest du denn Probleme, weil du dich mal zu sehr angestrengt hattest?
Überhaupt nicht. Aber klar, da ich den ganzen Tag kein Wasser trinken konnte, musste ich etwas passiver in meiner Bewegung sein. Das war eine Vorsichtsmassnahme basierend auf meinen bisherigen Erfahrungen.
Gab es besondere Herausforderungen oder Zeiträume, die besonders schwierig waren?
Am Anfang war es vor allem psychisch heraufordernd. Ich hatte Bedenken, ob ich ausreichend konzentriert sein kann, wenn ich mich in der Ernährung so sehr einschränke. Ich glaube, es wäre von Anfang an gleich gut gegangen, hätte ich diese Zweifel nicht gehabt. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass ich keine Probleme mit dem Lernen haben werde. Klar gibt es in der Lernphase bessere und schlechtere Tage, diese Schwankungen würde ich aber nicht am Fasten festmachen.
Was macht diese Erfahrung für dich aus?
Man hat durch den Tag eine Motivation, die einen antreibt. Das kann ein Abendessen mit der guten Freundin sein oder gemeinsam mit der Familie, man weiss einfach, dass am Abend etwas Gutes auf einen wartet. Das ist so das Beste. (lacht) Man nimmt in dieser Zeit auch ab, bei mir waren sicher 7-8 Kilo, die ich abgenommen habe, allerdings nimmt man diese bei der Umstellung auf die normalen Ernährungsgewohnheiten auch schnell wieder zu. Und man schätzt das Essen irgendwie mehr. Man besinnt sich darauf, was man hat und auch darauf was anderen fehlt, deshalb wird in der Zeit um Ramadan auch viel gespendet. Ausserdem ist man persönlich gestärkt, wenn man diese 30 Tage durchgehalten hat. Du kennst das sicher, wenn du gerade in der Stadt unterwegs bist und trotz starkem Durst kein Wasser dabeihast. Heute denke ich in solchen Situationen: «In der Fastenzeit trinkt man manchmal 16-17 Stunden kein Wasser» und kann das gelassen nehmen.
Sollte man das Fasten auch ohne religiösen Hintergrund mal ausprobieren?
Ja, auf jeden Fall. Ich würde vielleicht sagen, dass 3 Tage erstmal ausreichen – 3 Tage hintereinander.
Hast du selbst schon die Erfahrung gemacht, in der Fastenzeit auf Prüfungen lernen zu müssen? Lass uns im Komentarbereich gerne Feedback zu deinen eigenen Erfahrungen und Eindrücken da.