Autoren stellt man sich häufig als hagere Personen in einem kleinen, kerzenbeschienen Raum vor; die Schreibmaschine auf dem Tisch, daneben ein Glas Wein. Aber vor allem sitzen sie in der Vorstellung meistens alleine da. Meine Mitstudentin Clara und ich sind der Meinung, dass man sich als Autoren und Schreiberlinge untereinander austauschen sollte und haben deshalb letzten Herbst die studentische Schreibgruppe „Schreibsache“ gegründet. Wie so eine Sitzung aussieht, erfährst du hier.
Es ist Donnerstagabend. Kurz vor 18.00 Uhr treffen die ersten Personen ein, die Türen des Deutschen Seminars werden nach der regulären Öffnungszeit nochmals für die Schreibgruppe aufgeschlossen.
Alle drei Wochen finden wir uns in der Gruppe zusammen, meistens sind wir zwischen fünf und zehn Personen. Wer kommt und wer etwas Geschriebenes mitnimmt, davon lassen wir uns überraschen: Die Treffen sind freiwillig und können spontan besucht werden. An diesem Donnerstagabend sind es Benjamin, Roman, Annette, Lea und Aurelia, allesamt Studierende oder Doktoranden an der Uni Basel. Ich mache mir desweilen etwas Sorgen, weil mich seit Wochen eine Schreibblockade plagt und ich diese in der Sitzung ansprechen möchte.
Schreibexperimente als Blockaden-Gegenmittel
Bevor wir uns aber den Texten und den Diskussionen widmen, experimentieren wir mit Reizworten. Spontanes Schreiben ist nicht immer leicht und genau deshalb sollte spielerisch ein Zugang gefunden werden. Clara und ich haben uns dafür eine Übung ausgesucht: Jeder schreibt fünf Reizworte auf fünf Zettel, welche vermischt werden. Danach zieht jeder ein Reizwort und schreibt dazu einige Sätze. Der Text wird dann weitergegeben und man verfasst zum neuerhaltenen Abschnitt mithilfe eines neuen Reizwortes wieder einige Sätze. Nach etwa einer halben Stunde sind sieben abgeschlossene Kürzerst-Geschichten entstanden, welche vorgelesen werden. Zum Schluss können wir uns das Kichern nicht mehr verkneifen – witzige, manchmal wild zusammengewürfelte Geschichten, die aber in sich doch stimmen, sind dabei entstanden. Meine seit Wochen andauernde Schreibblocke scheint schon etwas aufgehoben.
Dem Schreiben Zeit lassen
Ein weiterer wichtiger Teil der Gruppentreffen ist das gegenseitige Vorlesen der eigenen Texte. Dabei kann man gleich Feedback erhalten. Roman, welcher mit seiner Kurzgeschichte über einen Wal in einem Zug schon das Literaturhaus Zürich besuchen durfte, findet dies eine gelungene Art, inmitten des Schreibprozesses Anregungen zu erhalten. Zudem motiviert ihn dies zum regelmässigen Schreiben.
Lea ist die erste, die vorliest; dieses Mal aus ihrem grossen Roman-Projekt, in welchem es um einen Musiker geht. Gerade ihre Meinung zu Schreibbockaden interessiert mich sehr, ist sie doch bereits seit zwei Jahren an ihrem Projekt dran. In unseren sogenannten Kleingruppentreffen, in denen man in der Zeit zwischen zwei grossen Treffen zu dritt oder zu viert Texte per Mail austauscht, um diese dann persönlich zu besprechen, habe ich bereits einige Ausschnitte daraus gelesen.
„Ich lerne die Figuren immer besser kennen. Auch wenn ich mal gerade nicht schreibe, bildet sich die Geschichte weiter in meinem Kopf aus.“ Vielleicht sollte ich also auch einfach dem Problem seine Zeit lassen?
Künstlerische Schreibblockaden-Überwindung
Aurelia hingegen, welche vor allem Gedichte schrieb und seit Kurzem wieder den Zugang zu Kurzgeschichten sucht, geht kreativ mit dem Problem um. Sie liess sich von Herta Müllers Collagen inspirieren und schnipselt aus Zeitungsworten Gedichte zusammen. Gerade im Lyrischen komme man so von Floskeln weg.
Annette macht dies auf ähnlich künstlerische Weise. „Ich versuche manchmal, Geschriebenes zu illustrieren, um es auf eine andere Art weiterzudenken“. Nach einer längeren Schreibpause durch das Studium hindurch hat sie sich entschieden, das Schreiben wieder aufzunehmen und erhofft sich durch die Gruppe, wieder mehr zu Stift zu kommen und sich durch die Feedbacks vielleicht auch zu verbessern. Gerade durch die unterschiedlichen Perspektiven aller Schreibenden kann ein neuer kritischer Blick auf das eigene Geschriebene entstehen. Annette liest uns einen ersten Abschnitt aus ihrem Romanprojekt vor, welches sich im Fantasygenre bewegen soll.
Auch Benjamin ist der Meinung, dass Feedback zum Geschriebenen unerlässlich ist. „Dass die meisten Freundinnen , Freunde und Eltern immer sagen, dass sie Texte super finden, ist klar. Deshalb sind solche ernsthaften Diskussionen mit anderen Schreibenden wichtig, um ehrliche Kritik zu erhalten.“ Lea ist der Ansicht, dass diese Diskussionen auch die Knoten lösen können, an denen man selbst stundenlang herumgebrütet hat. „Das habe ich bei den Treffen als extrem wertvoll, inspirierend und motivierend empfunden.“
Das Schreiben einplanen
Also sich vielleicht doch zum Schreiben zwingen? Benjamin ist zumindest der festen Überzeugung, dass das hilft. Er trägt sich die Schreibzeit fest im Stundenplan ein. „Man nimmt sich effektiv die Zeit, egal, ob was Gutes oder Schlechtes dabei herauskommt.“
Die Teilnehmer geben mir aber auch noch ganz einfache Tipps, die nicht viel Aufwand erfordern. Aurelia legt manchmal zur Inspiration einfach ihr Lieblingsbuch neben sich hin, und Benjamin überlegt sich zu einer einfachen Figur, was ihr alles Ungewöhnliches in 24 Stunden passieren könnte. Zum Schluss der Sitzung habe ich viele neue Ideen, wie ich mit meiner Schreibblockade umgehen kann.
Falls du ebenfalls in der Freizeit Prosa und/oder Lyrik verfasst und an einem regen Austausch interessiert bist, bist auch du herzlich eingeladen, bei unseren Treffen vorbeizuschauen. Für weitere Informationen kannst du dich bei mir oder bei Clara melden:
andjelka.antonijevic@unibas.ch