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campus stories
05. Februar 2021 / Naturwissenschaften , Danial Chughtai

Beyond Lectures: Ein Erfahrungsbericht über das Arbeiten in Forschungsgruppen

Wisst ihr, was ihr hier seht? Verstehen womöglich nur Physikstudierende (Bild: zvg).

Nach etlichen Semestern der Vorlesungen, Seminaren und Tutoratssitzungen neigt sich auch mein Studium dem Ende zu. Kurz vor der Ziellinie durfte ich noch einen neuen Aspekt der Universität kennenlernen: das wissenschaftliche Arbeiten in einer Forschungsgruppe. Wie unterscheidet es sich vom herkömmlichen Studieren? Hat das meine Sicht auf die akademische Welt und das Studium verändert?

Im Gegensatz zu anderen Studienfächern gibt es in Physik keine Bachelor-Arbeit. Wir füllen alle Module und sind dann direkt zum Master berechtigt. Möchte man weiterhin an der Uni bleiben, führt jedoch kein Weg daran vorbei, sich mit wissenschaftlichem Arbeiten vertraut zu machen.

Ich merkte schnell, dass viel Eigeninitiative von mir gefordert ist. Es hat sich angefühlt, als müsste ich eine neue, mir noch völlig unbekannte Sprache lernen. Aber genau das weckte meine Neugier. Dafür habe ich schliesslich überhaupt erst angefangen zu studieren. Mir wurde eine Doktorandin als Supervisorin zugeteilt, bei der ich mich jederzeit melden konnte, wenn ich Probleme hatte.

Anfangs fiel es mir noch schwer, nach Hilfe zu fragen. Ich merkte aber schnell, wie viel man sich an späterer Arbeit einspart, wenn man schnell das Büro um die Ecke aufsucht. Meine Supervisorin war stets zuvorkommend und hat mir viele Sachen erklärt, die sich bei mir dann nach und nach zu einem grösseren Bild fügten. Nachdem ich einige Paper durchgelesen hatte, gab es eine Sitzung mit der zuständigen Professorin und mir wurde erzählt, dass man sich doch für ein anderes, brisanteres Thema entschieden habe. Also gab es wieder neue Paper, dieses Mal wieder mit neuen Effekten. Immerhin hatte sich das Lesen der ersten Paper direkt ausgezahlt: Schneller konnte ich Neues verstehen und in Relation setzen.

Nach dieser Einarbeitungszeit folgte das tatsächliche Rechnen. Wir haben ein theoretisches Modell konstruiert, um neue Materialien nach Eigenschaften zu untersuchen, die relevant sein könnten für Quantencomputer und etliche andere (zukünftige) Anwendungen. Dieses Modell war (mit einigen Ansätzen) analytisch lösbar. Das heisst vereinfacht ausgedrückt, dass man dafür keinen Computer benötigt und alles auf Papier ausrechnen kann, ohne programmieren und simulieren zu müssen.

Das war gerade für mich sehr von Vorteil, da ich gerne von Hand rechne. Für mich waren die Rechnungen aber alles andere als trivial. Gefühlt täglich bin ich zu meiner Supervisorin gerannt, um ihr den Stand meiner Erkenntnisse zu zeigen (das hatte sich noch vor Corona abgespielt). Nachdem die Rechnungen erledigt waren und das Modell besser verstanden wurde, ging es dann ans Schreiben. Das hat sich als absolute Geduldsarbeit herausgestellt. Es ist eine Kunst für sich, möglichst prägnant viel zu sagen und Information dicht zu verpacken, ohne redundant zu sein. Schlussendlich wurde die Arbeit nochmals bearbeitet und in einem Fachjournal veröffentlicht.

Und wie lebt es sich in Forschungsgruppen?

Durch diese Arbeit habe ich einen guten Einblick in die wissenschaftliche Welt bekommen. Im Vergleich zu meinem bisherigen Uni-Erfahrungen, wird nochmals gezielter, mikroskopischer gearbeitet, kleine Erfolge sind schon von Relevanz. In Gruppenmeetings habe ich weitere Doktorand*innen kennengelernt und konnte mich über verschiedene Dinge mit ihnen austauschen.

Wissenschaftliches Arbeiten wirkte auf mich ein bisschen wie Detektivarbeit: Man recherchiert Literatur, setzt Verknüpfungen, muss sich kreative Lösungen ausdenken, die nicht immer funktionieren, bis man dann doch den roten Pfaden durch das Zimmer gespannt hat und den Übeltäter kennt. Das grosse Ganze setzt sich Teil für Teil zusammen, bis man den Komplex vor sich hat. Als frischer Wind zum üblichen Studieren habe ich in Meetings gesehen, wie die Welt nach einem Master in der Universität aussieht: Viel Kaffee, Tinte, Kreide und Papierschnittwunden.

In jedem Studienfach und Teilgebiet sieht das wieder anders aus, jedoch sind die Gemeinsamkeiten über alle Forschungsgruppen gleich: Wissenschaftliches Arbeiten lebt von der Kommunikation. Nur über Gespräche mit anderen lassen sich überhaupt neue Erkenntnisse gewinnen. Ich vermisse Vorlesungen schon ein wenig, dennoch habe ich mich auch ein bisschen ins Puzzeln verliebt.


Dieser Artikel erschien 2021 auf dem Beast-Blog der Universität Basel. Er wurde für Campus Stories aktualisiert. Danial schrieb bis 2021 für den Beast-Blog.

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